Das Schwert erhoben, sah Carlton Louison in die Augen. Seine blauen Augen strahlten Angst aus, zeigten aber keinerlei Täuschung. Es bestand kein Zweifel, dass es unschuldige Augen waren.
Darüber hinaus drang jedes einzelne seiner Worte tief in Carltons Herz. Sie schürten genau die Angst und das Gefühl der Disharmonie, das er vage verspürt hatte. Er wurde noch wütender, weil es keine Möglichkeit gab, Louisons Aussage zu widersprechen.
„Verdammt!“ Carlton warf sein Schwert auf den Boden. Bei dem klirrenden Geräusch sank Louison zusammen wie ein leerer Sack.
Ah, ich lebe.
Carlton stampfte auf den Boden, fluchte und riss seinen Helm runter.
Louison sah ihn fasziniert an – er sah viel schöner aus, als er es sich je hätte vorstellen können. Er hatte nicht erwartet, dass sich unter dem schwarzen Helm ein so gut aussehendes Gesicht verbergen würde. Sein kantig, gemeißelter Kiefer betonte besonders seine wilde Ausstrahlung. Sein schwarzes, schweißnasses Haar war zerzaust. Es war nicht ordentlich, aber anstatt schmutzig auszusehen, strahlte der zerzauste Effekt eine wilde Aura aus.
„Lass es uns wiederholen.“ Carlton nickte mit seinem messerscharfen Kinn in Richtung Louisons Hand. Louison schaute nach unten. Er hatte die ganze Zeit das weiße Banner fest umklammert gehalten.
„Ah.“ Wieder kapitulieren ?
Louison kniete erneut nieder und hielt das Banner hoch in die Luft. Er flehte jedoch nicht erneut um die Gnade seines Lebens. Wortlos riss Carlton ihm das Banner aus den Fingern.
Dann hisste er das weiße Banner und verkündete den Sieg. Die Soldaten im Lager jubelten laut. Die Sonne ging auf wie eine Fackel, die feierlich über einem wichtigen Ereignis brannte. Louison, immer noch kniend, betrachtete das weiße Banner welches vor dem anbrechenden Morgen wehte. Die goldenen Weizenkörner, die auf dem Banner gestickt waren, funkelten wie Diamanten.
Nach einer unspektakulären Kapitulation ging es sehr schnell voran. Carltons Armee packte geschickt ihre Zelte zusammen und zerstörte ihren provisorischen Stützpunkt. Die Soldaten, die aus der Schlacht zurückkehrten, stellten sich ordentlich auf. Im Nu waren alle Aufräumarbeiten abgeschlossen und Carltons Armee marschierte in Richtung des Schlosses des Herzogs.
Carlton führte die Armee von der Front aus.
Sein Stellvertreter, der neben ihm herging, fragte besorgt: „Ist es wirklich in Ordnung, wenn wir einfach so gehen?“
„Laut meinem Spion ist es keine Falle.“
„Wenn du es sagst…."
Den Spionen zufolge, die im Vorfeld in der Festung postiert worden waren, war das Schloss mit der Verteidigung des Standorts überfordert und konnte es sich nicht leisten, Fallen zu stellen. Carlton hatte die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Louison vortäuschen würde, sich zu ergeben, um sie in einen Hinterhalt zu locken, aber das schien unwahrscheinlich. Dennoch war Carltons Stellvertreter zutiefst besorgt, da die aktuelle Situation alles andere als normal war.
Gab es andere, die so besessen von der Angemessenheit nutzloser Prozeduren waren wie die Adligen? Selbst wenn es keinen Fluchtort nach dem Fall des Schlosses gab, würden Adlige definitiv die Kapitulation inmitten ihrer Diener und Ritter erklären und dabei versuchen, gefasst und mächtig zu wirken. Aber Louison war nur mit einem Diener gekommen, um sich auf dem nackten Boden niederzuknien.
Ungläubig starrte Carltons Stellvertreter nach hinten. Louison folgte ihm langsam auf einem Pferd. Seine glatte, blasse Haut und sein hell goldenes Haar glänzten, obwohl sie schmutzig waren – verschmiert mit Staub und Schlamm. Von Feinden umgeben, wirkte Louison entspannt, als hätte er es nicht eilig.
Dieses gelassene Selbstvertrauen. Vielleicht ist dass das Aussehen eines großen Lords, dachte Carltons Stellvertreter.
„Ich habe gehört, dass der Herzog von Anness ein nutzloser Schwächling sei. Aber wenn man ihn hier sieht, sind Adlige wirklich edel … Diese Gelassenheit …“
„Was für ein Pechvogel“, sagte ein Soldat.
Carlton starrte Louison irritiert an.
Ugh, habe ich etwas falsch gemacht? Hör auf, mich anzustarren.
Louison wollte weinen. Warum starrte er ihn immer wieder mit durchdringenden Blicken an? Es war schon schwer genug, auf einem Pferd zu reiten …
Tatsächlich war Louison ein furchtbar schlechter Reiter. Sein langsames, entspanntes Tempo lag eigentlich daran, dass er nicht schneller reiten konnte, ohne zu fallen. Seine aufrechte Haltung war das Ergebnis seiner angespannten Muskeln, die sich stark darauf konzentrierten, das Gleichgewicht zu halten.
Carlton und seine Gefährten würden jedoch niemals glauben, dass Louison nicht reiten konnte. Reiten war eine grundlegende Fähigkeit der Aristokratie und ermöglichte es den Adligen, von ihrem hohen Sitz herablassend auf die Bauern herabzublicken. Natürlich trug auch Louisons edles Aussehen zur Illusion bei.
Ich hätte ihm erst eine runterhauen sollen, bevor ich auf ihn gehört habe. Carlton war seit Beginn der Reise schlecht gelaunt.
Obwohl der Bürgerkrieg offiziell noch nicht vorbei war, taten die Gefolgsleute des ersten Prinzen so, als sei alles vorüber. Die Atmosphäre war selbstzufrieden und lautstark wurde der Anteil der Kriegsbeute aufgeteilt. Diejenigen, die einst Blutsbrüder waren, bissen und schnappten nacheinander, um einen größeren Anteil zu bekommen. Natürlich hielten sie an der Oberfläche das Bild ruhiger Gewässer aufrecht und hielten die Konflikte unter Wasser.
Inmitten dieses Chaos schlossen sich alle Adligen im Geheimen zusammen, um Carltons Zukunft mit Asche zu bedecken.
„Wie kann dieser Bauer es wagen, seinen Platz nicht zu kennen?!“ Diese Geisteshaltung hatten die Adligen.
Zur Zeit war Carltons Wert noch zu groß und der erste Prinz kümmerte sich noch um ihn, sodass die Adligen ihren Hass nicht offen zeigen konnten. Sie konnten nur sarkastische Bemerkungen hinter verschlossenen Türen machen und schwören, ihn zu töten. Dies waren Bemerkungen, die Carlton während des Krieges vielleicht belustigt hätten … aber jetzt enthielten sie ein unangenehmes Versprechen.
Unter diesen Umständen hatte die Entsendung in den Süden zur Unterdrückung des Herzogs von Anness die Flammen des Zorns angefacht. Es genügte nicht, einfach nur an Prinz Ellions Seite zu bleiben und eine weitere Auszeichnung zu erhalten. Carltons Kopf schmerzte, weil er versuchte, seine Beziehung zum Prinzen zu steuern, der ständig Klatsch und Tratsch über seine Angelegenheiten von den Adligen zu hören bekam.
Die Adligen waren in der Hauptstadt damit beschäftigt, sich an der Freude über den Sieg zu laben. Carlton fragte sich, ob man ihm befohlen hatte, die Überreste des Krieges zu beseitigen, weil er zur Unterschicht gehörte. Wäre er ein Adliger, wäre er vielleicht kein solcher Außenseiter. Würde er jetzt, da der Bürgerkrieg vorbei war, nicht mehr von Nutzen sein? Neben seinen Verpflichtungen verspürte er ein Pflichtgefühl. Außerdem hatte der erste Prinz ihm persönlich befohlen, offene Fragen zu klären – es war unmöglich, diesen Befehl abzulehnen.
Angesichts dieser Machtlosigkeit wollte Carlton am Herzogtum Anness ein Exempel statuieren, um seine unverminderte Robustheit zu demonstrieren. Der Herzog von Anness war eine Existenz, die Adel symbolisierte, der weit größer war als die Mücken in der Hauptstadt. Durch die totale Vernichtung der Herrschaft des Herzogs wollte er allen Adligen, die ihn zu unterschätzen begannen, Angst einflößen.
Doch als er nun am Eingangstor stand, fühlte sich Carlton unwohl.
Es ist zu einfach. Es ist gut, dass die Dinge bislang einfach waren, aber das macht mich nervös. Was ist los?, dachte er.
Je mehr er darüber nachdachte, desto weniger Antworten fielen ihm ein. Außerdem hatte er den Sieg wegen dieses Unbehagens hinausgezögert. Dieses Gefühl hatte ihn dazu gebracht, seine Pflichten als Kommandant aufzugeben und nachts mit der Jagd zu beginnen. Um Stress abzubauen, um sich Zeit zum Entspannen zu nehmen.
Er hätte nicht gedacht, dass er seine Antworten von Louison Anness erhalten würde, der während seiner Jagd gefangen genommen worden war. Carlton fühlte sich jetzt noch schlechter, da Louison weitere Zweifel geäußert hatte, von denen er selbst nicht einmal etwas gewusst hatte.
Was für ein Mann war Louison Anness?!
Er war der dumme Kerl, der vom zweiten Prinzen mitgeschleppt wurde. Es wäre vielleicht etwas anderes gewesen, wenn er den Prinzen vorsichtig zu irgendeinem Vorteil ausgenutzt hätte, … aber er war ein Schwächling, der all seine Vorräte und Truppen hergegeben und verloren hatte.
Außerdem legten seine Abschaum-Lords – dieselben Freunde, die zusammen in der Hauptstadt herumlungerten – lieber einen Diensteid auf den feindlichen zukünftigen König ab. Er hatte die Kontrolle so weit verloren, dass selbst seine Freunde in der Hauptstadt sich weigerten, ihm zu helfen. Wenn er seine Tage damit verbringen wollte, sie in der Hauptstadt zu vertrödeln, dann hätte er sich seine eigene politische Basis aufbauen sollen. Es war ganz natürlich, dass Louison sich den Ruf eines Dummkopfes erworben hatte, der mit einer guten Nabelschnur und sonst nichts geboren worden war.
Wäre er nicht als Sohn des Herzogs geboren worden oder hätte der Herzog noch ein weiteres Kind bekommen, wäre Louison zu den Ratten und Vögeln auf die Straße gestoßen worden.
Das war Carltons Einschätzung von Louison gewesen …
Er ist irgendwie anders als die Gerüchte besagten, dachte er.
Louisons Argument war für Carlton zu diesem Zeitpunkt absolut wichtig. Der Krieg war vorbei. Der junge erste Prinz würde König werden. Es hatte keinen Sinn, darüber zu diskutieren, wem der König unter den Adligen, mit denen er eine gemeinsame Vergangenheit hatte, und den Söldnern, die er aus einer Laune heraus in den nördlichen Ländern aufgelesen hatte, den Vorzug geben würde. Louisons Kommentare waren gleichbedeutend mit einem ernüchternden Stoß in Carltons Rippen. Er war wieder zur Besinnung gekommen.
Überall hieß es, Adlige seien besondere Wesen, die blau bluteten. Sie gehörten zwar derselben Spezies an, aber Adlige hatten eine andere Perspektive. Daher war es für sie ganz natürlich, über andere zu herrschen. Der Durchschnittsbürger akzeptierte, dass er so leben sollte, wie es ihm gesagt wurde.
Carlton hatte sich sein Leben lang dieser Denkweise widersetzt, aber dieses Mal war er von Louisons Einsicht völlig überwältigt. Er konnte nicht glauben, dass solch ein Schwächling eine Weisheit erahnen konnte, der seine körperliche Kraft nicht standhalten konnte.
Er hatte seine Feinde nach Herzenslust provoziert und wirkte dennoch ruhig. Ist das die Größe von echtem blauen Blut? Das kann nicht wahr sein … Vielleicht hatte er irgendwie Glück. Vielleicht hat ihm jemand geholfen.
Carlton wollte nicht zugeben, dass er irgendwie schlimmer war als Louison. Es stimmte jedoch, dass er Louisons Kapitulation nach ein paar überredenden Worten akzeptiert hatte. Seine Worte waren einfach zu plausibel, um sie zu ignorieren. Es war, als hätte Louison irgendwie die Zukunft gesehen und genau gewusst, was danach passieren würde.
…Wir werden sehen. Ich werde ihm diesen Unmut heimzahlen, sobald ich eine Lüge sehe.
Carlton biss die Zähne zusammen.
Ein Stück weiter hinten verspürte Louison ohne erkennbaren Grund einen kalten Schauer.
Die Truppen erreichten schließlich das Haupttor. Carlton gab das Zeichen zum Halt und beobachtete die Reaktion des Herzogs.
Louisons verbliebene Soldaten auf der Schlossmauer zogen sich zurück. Ohne Vorwarnung konnte man Carltons blaues Banner im Wind wehen sehen. Neben dem blauen Löwen flatterte jedoch auch ein mit goldenem Weizen verziertes Banner.
„Wie? Warum ist das da?“, fragten sich die Bewohner des Schlosses. Dann folgten sie dem Banner und entdeckten Louison.
„Warum ist unser Herr dort drüben?“
Im Schloss herrschte Chaos. Die Schlossbewohner riefen nach ihren Vorgesetzten und fragten, was passiert sei.
„Diese Kerle sind wirklich überrascht, nicht wahr?“, sagte der Stellvertreter Carltons.
„Das ist keine Illusion. Alles ist zu chaotisch … Sie hatten wirklich keine Ahnung, dass ihr Herzog gegangen war, um sich zu ergeben“, stimmte Carlton seinem Stellvertreter zu, während er die Burgmauern sorgfältig musterte. „Es muss einen internen Kampf gegeben haben. Der junge Herzog war aufrichtig.“
„Der Herzog scheint Angst vor seinen Gefolgsleuten zu haben. Vielleicht hat er keine wirkliche Position innerhalb der Burg?“
Trotzdem, wie konnte der Herzog barfuß durch den Wald rennen, um sich zu ergeben? Es schien, als wäre das innere Chaos nicht alltäglich.
„Es ist es wert, ihn in einem solch erbärmlichen Zustand zu sehen.“
„Wird der Herzog auf diese Weise nicht zum Verräter seines Volkes? Vielleicht wäre es für uns das Beste, den Herzog unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu halten …“
„Lass ihn in Ruhe. Sie werden ihn nicht töten.“
Carlton lachte hämisch – er wollte, dass Louison von seinem Sockel gestoßen wurde.
carlton hat es also angenommen und wieder ein wenig zu sich gefunden nach diesen worten von luois. wenn carlton wüsste das er nicht gut reiten kann hätte er dann in etwas mehr gehänselt. die haben ja schnell alles abgebaut. chaos pur also. zumidest hat er gesehen das luis nicht gelogen hatte. wieso ist er sich so sicher das sie in nicht töten. aber carlton hat aber immer noch was vor mit im.
AntwortenLöschenDanke für die tolle Übersetzung
AntwortenLöschen😘🥰😍
LöschenImmerhin hat Louison eine Lösung gefunden die Sache ohne weiteres Blutvergießen zu beenden.
AntwortenLöschenCarlton freut sich also, dass er jetzt legal einen Adeligen rundum die Uhr schikanieren kann, oh weh, armer Louison.
Ich frage mich ja wer sich zuerst in wenn verliebt. Ich tippe auf Carlton.