Kapitel 8


„Du willst dich ergeben? Bist du verrückt?“ Carlton war fassungslos, brach jedoch dann in scharfes, durchdringendes Lachen aus, welches Louison bis ins Mark erschütterte.

„Du kapitulierst jetzt? Dann hättest du gestern deine Tore weit öffnen sollen, wenn du dein Leben verschonen wolltest. Wir haben es draußen schwer, und das alles, weil du diesen Kampf in die Länge gezogen hast. Bis jetzt scheint es, als hättest du erwartet, dass andere sich der Macht deines guten Namens unterwerfen …“

Carlton schlug Louison auf die Schulter, so dass sein ganzer Körper taumelte: „Leider bin ich kein besonders barmherziger Mensch. Wenn du einen Krieg begonnen hast, musst du die Verantwortung dafür übernehmen.“

Carlton begann langsam, sein Schwert aus der Scheide zu ziehen. Ein hohles Geräusch klang durch die Luft und er führte die Spitze seines Schwertes an Louisons Nase.

„Ich werde dich zuerst töten und dann durch dein Land fegen. Ich weiß nicht, wie ich die Dinge friedlich beenden kann. Diejenigen, die gegen mich kämpfen, müssen bis zum bitteren Ende geschlagen werden. Besonders ein Adliger wie du.“

Dieser verrückte Bastard.

Angst drohte Louison zu überwältigen. Der Zorn in den Augen des Ritters war aufrichtig. Keines seiner Worte verriet ein Zögern. Seine Spitznamen, der Metzger und der Schlächter, waren keine Übertreibung. Er war jemand, der keine Skrupel hatte, Aristokraten zu töten.

Carlton genoss diese Situation. Auf seinen Wanderungen hatte Louison viele Leute getroffen, die Aristokraten hassten. Der Unterschied zwischen diesen Männern und Carlton bestand jedoch darin, dass der einfache Mann Angst vor der Macht eines Adligen hatte. Carlton teilte diese Angst jedoch nicht.

Ich werde wirklich sterben, wenn das so weitergeht.

Louisons Rücken wurde nass vom kalten Schweiß. Er musste sich etwas einfallen lassen. Er musste etwas sagen … nein, nicht einfach irgendetwas. Er musste etwas sagen, um Carlton zu verunsichern und um seine Wut zu unterdrücken.

Auf diese Situation war Louison bereits vorbereitet.

Er wollte seine zweite wunderbare Chance auf Leben nicht vergeuden und hatte deshalb lange darüber nachgedacht, wie er Carlton am besten anflehen könnte, sein Leben zu verschonen. Während er mit Ruger durch den Wald gegangen war, hatte er sich bereits Sätze zurechtgelegt.

Carlton war jedoch verrückter, als er sich vorgestellt hatte – auch hoffnungslos unmanierlich. Egal, ob sie derzeit Feinde waren, der gegnerische Herr sollte respektvoll und nicht wie menschliches Gepäck behandelt werden. Und wenn der feindliche Anführer kapitulierte, sollte man genau zuhören, … aber stattdessen zog Carlton sofort sein Schwert!

Carltons Schwert begann sich zu bewegen.

Denk nach. Reiß dich zusammen, Louison Anness. Denk nach!

Er quälte sich mit seinen Worten. Doch sein Kopf wurde leer und er brachte nur noch einen Satz hervor.

„Wenn ich sterbe, sterben auch Sie.“

Ah. Was ist das? Ich bin erledigt.

Das waren Worte, die Konflikte schüren.

„Was?“, Carltons Gesichtsausdruck wurde immer furchteinflößender. Louison schluckte schwer.

„Hast du alles gesagt, was du sagen wolltest?“, fuhr Carlton fort. „Was für glorreiche letzte Worte.“

Nein, nein!

Die Worte waren jedoch ähnlich dem, was er sagen wollte. Die Gesamtbedeutung war rüber gekommen, aber die beschwichtigenden Worte, die Louison sorgfältig ausgewählt hatte, um Carltons Wut zu besänftigen, waren alle verschwunden.

Ah, warum jetzt?! Ich wollte doch meine Erklärung ruhig und besonnen abgeben!

Er verspürte das dringende Bedürfnis, seine Worte zu korrigieren. Louison fuhr schnell fort, bevor Carlton noch etwas sagen konnte.

„Was werden Sie tun, nachdem Sie mich getötet haben? Können Sie den Zorn des ersten Prinzen oder der anderen Adligen verkraften?“

„Was ich tun soll? Der erste Prinz wird mich für die Ausführung seines Willens loben und belohnen“, sagte Carlton.

„Glauben Sie, die anderen Aristokraten werden Ihnen das durchgehen lassen? Dieser Körper ist immer noch einer der bemerkenswertesten Großherren. Meine Vasallen werden nicht friedlich bleiben.“

„Glaubst du immer noch, dass irgendjemand auf deiner Seite ist?“

„Nein, es gibt wahrscheinlich keine Adelsfamilie, die bereit ist, zu helfen.“

Es war eine bittere Wahrheit, die er körperlich erfahren hatte. Auch wenn sie dem Namen nach Vasallen von Anness waren, war die Unterstützerbasis durch den Kampf der Prinzen um den Thron und den Bürgerkrieg seit langem gespalten und bankrott. Die Hälfte seiner Gefolgsleute war auf die Seite des ersten Prinzen übergelaufen, während diejenigen, die noch den zweiten Prinzen unterstützten, an politischer und militärischer Stärke verloren hatten und es sich nicht leisten konnten, Louison zu helfen.

„Ich habe niemanden auf meiner Seite, aber auch Sie haben viele Feinde. Wenn Sie mich töten, werden sie unter dem Vorwand meines Mordes nach Ihrem Blut gieren .“

„Mir ist egal, was die anderen Adligen sagen. Ich habe nur die Befehle des Prinzen befolgt. Prinz Ellion hat mich nie dafür bestraft, dass ich jemanden getötet habe, egal, wie wichtig er als Adliger auch war.“

„Ja, aber das waren die Umstände des Bürgerkriegs.“

Zu Beginn des Bürgerkriegs wurde Prinz Ellion nach einer ersten Niederlage in eine nördliche Festung getrieben. Um seine Stärke zu zeigen und den Siegesschwung fortzusetzen, bestrafte der Prinz die Adligen, die Prinz Ferris unterstützten, schwer. Carltons Grausamkeit erwies sich als perfekte Machtdemonstration, daher übersah der Prinz absichtlich Carltons Verhalten.

„Reißen Sie sich zusammen. Der Bürgerkrieg ist vorbei“, sagte Louison.

„…..“

Carlton zögerte. Louison entging nicht, wie seine Augen durch die Lücken in seinem Helm leicht zitterten. Er musste gespürt haben, dass sich die Situation schnell änderte. Um so schnell vom Sohn eines Pferdezüchters zum Vertrauten des Prinzen aufzusteigen, musste er mehr als nur Muskeln gehabt haben. Es wäre für Louison vorteilhafter gewesen, wenn er ein Dummkopf gewesen wäre, der nur Kraft hatte.

Der erste Prinz wusste, dass die Adligen nicht länger seine Feinde sein würden, sobald er König wäre. Sie würden zu Vasallen werden, die ihm Treue und Reichtümer schwören würden.

Sobald der Bürgerkrieg vorbei war, würde der erste Prinz beginnen, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Gestern waren sie vielleicht noch Adlige, die auf der feindlichen Seite standen, aber heute wären sie mögliche steuerbare Ressourcen und Diener. Kein Untergebener des Königs würde jemals wagen, die Autorität des Königs zu verletzen.

Dasselbe galt für die Adligen. Auch wenn sie kämpften, als stünde ihr Leben auf dem Spiel, würden sie nicht zögern, sich mit dem Feind zu verbünden, um ihre adlige Autorität aufrechtzuerhalten. Sie würden verheiraten und politische Geiseln austauschen, um dieses Ziel zu erreichen. Dies war die Philosophie der herrschenden Klasse.

Wenn Carlton nach seinem Belieben handelte, unabhängig von seinem Status als Feind oder Verbündeter, würden sich alle Adligen zusammenschließen, um ihn zu eliminieren. Seine Vortrefflichkeit zählte nur in Kriegszeiten – die Adligen ließen es nicht zu, dass ein einfacher Bürger es wagte, die natürliche Hierarchie zu missachten. Es war offensichtlich, dass die Adligen zähneknirschend warteten und auf eine Gelegenheit hofften, sich für ihre Demütigung zu rächen.

In einer solchen Situation musste der erste Prinz gründlich darüber nachgedacht haben, wie er am besten vorgehen sollte. Es wäre eine Verschwendung gewesen, einen Mann mit Carltons Talenten zu töten, und der Prinz war ihm zu Dank verpflichtet. Allerdings war er viel zu gnadenlos und aggressiv, um Teil seines Gefolges zu sein. Carlton wäre der beste Jagdhund gewesen, wenn man ihn nur hätte kontrollieren können.

„Deshalb hat der Prinz Sie hierher geschickt. Er wollte sehen, ob Sie taktvoll handeln und Ihre Blutgier kontrollieren können“, sagte Louison.

„…Der Prinz stellt mich auf die Probe?“, fragte Carlton.

„Das stimmt. Warum sonst würde man Sie hierher schicken? Wie Sie wissen, wurden uns all unsere Elitesoldaten als Kriegsgefangene genommen. Uns fehlen die Mittel, um richtig zu kämpfen. Selbst die Fußsoldaten, die von den südlichen Adligen auf der Seite des ersten Prinzen eingezogen wurden, hätten ausgereicht, um uns zu vernichten. Finden Sie das nicht übertrieben?“

„….“

„Einfach ausgedrückt handelt es sich um einen Test, um festzustellen, ob Sie ein Jagdhund sind, der erkennen kann, was er beißen darf, oder ob Sie ein tollwütiger Hund sind, der erschlagen werden muss. Wenn Sie mich töten, werden Sie sterben.“

Es war nicht ganz so gekommen, wie er es geplant hatte, aber Louison sagte alles, was er vorbereitet hatte. Innerlich seufzte er: Klang alles plausibel?

Obwohl Louison so selbstbewusst gesprochen hatte, als wären es seine eigenen herausragenden Worte, waren die Ideen nicht ausschließlich seine eigenen. Seine Schlussfolgerungen waren die kombinierten Bemühungen von Weisheiten, die er in seinen bettelnden Tagen aufgeschnappt hatte, und von den Lehren seines Heiligen.

Hätte er damals nur halb soviel Einsicht gehabt wie heute, wäre sein Leben nicht so elendig verlaufen. Trotzdem war Louison nicht von Natur aus schlau. Diese Lektionen hätte er vielleicht vergessen, wenn es in seiner Situation nicht um Leben oder Tod gegangen wäre.

Darüber hinaus war diese Schlacht auch eine Prüfung für Louison. Der erste Prinz wollte sehen, ob der Herzog von Anness sich seiner Autorität beugte. Er wollte testen, ob Louison den Wert seines eigenen Lebens kannte. Ein Test, ob er wusste, wie er sich zu verhalten hatte und ob er dem zukünftigen König gegenüber loyal sein konnte.

Vor der Wiederkehr scheiterten sowohl Carlton als auch Louison spektakulär. Beide wählten den schlimmsten Weg und übertrafen sogar die Vorstellungskraft des Prinzen. Louison rannte auf dem Höhepunkt der Schlacht davon und Carlton geriet außer sich vor Wut, massakrierte alle und steckte das Land in Brand.

Der erste Prinz hatte wohl nicht geahnt, dass die beiden so rücksichtslos sein würden.

Infolgedessen litt Prinz Ellions Reich unmittelbar nach seiner Thronbesteigung unter einer schweren Hungersnot.

Jedenfalls hatte Louison alles gesagt, was er sagen wollte. Carltons Reaktion? … Typisch. Er wurde sehr ärgerlich und sarkastisch.

„Würde Euer Gnaden, der die Absichten des Prinzen so gut kennt, die einfachen Bauern zusammenrufen, um seine Burg zu verteidigen? Mitten in der Erntezeit?“

„Das ist … ein internes Problem“, sagte Louison vage. Es war keine komplette Lüge. Wenn er etwas Unglaubliches wie 'Ich habe meine Meinung geändert, nachdem ich aus der Zukunft zurückgekehrt bin' sagen würde, … würde Carlton ihn mit seinen bärenartigen Händen erwürgen.

„Ha, interne Umstände. Beruhigt das dein Gewissen? Dachtest du, wenn du so lange redest, würde ich einfach sagen: ‚Ah, ich verstehe!' Ich bin den langen Weg hierher gekommen und kann jetzt nicht mit leeren Händen zurückkehren.“

„Ich habe so lange geredet! Zweimal habe ich Ihnen erklärt, warum Sie ihr Leben verwirkt haben!“

Als Louison sah, wie seine Worte zum einen Ohr hinein und zum anderen hinaus gingen, wurde er langsam frustriert.

Wenn ich schon so viel argumentiert habe, wäre das Mindeste, was er tun könnte, so zu tun, als würde er darüber nachdenken!

„Warum sind Sie dann so aufgeregt?“, fragte Louison.

„Was?"

„Fühlen Sie sich nicht unsicher über Ihre Stellung beim Prinzen? Sie sind den ganzen Weg nach Süden gekommen, weg von seinem Gefolge. Sie sind hier und fühlen sich aus irgendeinem unbekannten Grund unwohl. Warum zögern Sie das Schloss anzugreifen!“

„Ich? Unsicher?“

„Wenn Sie mir nicht glauben, schneiden Sie mir hier die Kehle durch. Im kommenden neuen Jahr werden Sie an der Wand hängen.“

„Du–!“, Carlton hob sein Schwert hoch.

Louison hörte aus der Ferne Rugers Schreie: „Mein Herr!“, und, „Oh mein Gott!“

Obwohl er zitterte, hielt Louison weiterhin den Blickkontakt und starrte Carlton durch die kleine Öffnung in seinem Helm an.





3 Kommentare:

  1. der arme kann auch nicht richtig mit seinen worten umgehen. wenn es sich eine um eine prüfung handelt wie wird sich nun carlton entscheiden. wird er luis am leben bleiben oder als leiche enden. da kann man nur gespannt sein wie sich die wendung nun sich zeigen wird. glauben oder nicht glauben das ist un die frage.

    AntwortenLöschen
  2. Louison versucht sich also aus dem Schlamassel rauszureden. Er bringt auch gute Argumente vor, Argumente die Hand und Fuß haben, aber ob Carlton sie auch erkennen wird.
    Ich bin ja mal sehr gespannt wie alles weiterverläuft und wie die Geschichte verläuft. Ab Kapitel 1s des Manhwas weiß ich auch nicht mehr weiter.

    AntwortenLöschen
  3. Also ich weis ja nicht was ich von carlton halten soll... Sehr unsymphatischer Typ.

    AntwortenLöschen