Kapitel 77


Was ist das!“

Was ist los?“ Carlton rannte zu ihm und zog Cullen hinter sich her. Louison zeigte dem Söldner fassungslos das Innere der Kiste. Auch Carlton war schockiert.

Im Inneren der Kiste – unter dem Deckel – war das Bild einer Bergziege mit drei Augen in das Holz eingraviert. Obwohl das Design vereinfacht war, sah die Darstellung genauso aus wie die seltsame Büste, die Louison und Carlton in der Höhle des Tausendfüßlers gesehen hatten.

Warum ist das… hier?“, fragte Carlton. Louison konnte die Antwort auch nicht herausfinden. Natürlich drehten sich die beiden um und sahen Cullen an.

W-Was?“, rief der.

Erzählt mir alles über die Person, die Euch das gegeben hat.“

Was? Er? Ich weiß auch nicht viel über ihn …“, begann Cullen zu stammeln und sprudelte sofort alles heraus, was ihm einfiel. Die Person war ein junger Mann gewesen, aber er hatte gute Kleidung getragen. Er hatte eine selbstbewusste, entspannte Ausstrahlung gehabt. Sein Status war hoch genug gewesen, um in dem Schloss, in dem sie gewohnt hatten, gut behandelt zu werden.

Seltsam – ist Euch etwas Verdächtiges an ihm aufgefallen?“

Ja, nun… Zuerst dachte ich, er wäre ein Betrüger. Als wir uns das erste Mal trafen, behauptete er, ein Zauberer zu sein. Also bat ich ihn, mir etwas Magie zu zeigen. Er prahlte, dass, wenn er seine Macht zeigen würde, hier jeder sterben würde.“

Und?“

Als ich ihm sagte, er solle nicht angeben, meinte er, er sei anders als gewöhnliche Zauberer. Jemand Großes hätte ihm die Augen für Magie geöffnet. Deshalb behauptete er, er würde seine Kräfte nur für diese Person einsetzen. Ergibt das Sinn? Auf jeden Fall war er ein guter Mensch. Er hörte mir zu, wie ich Trübsal blies und die Welt verfluchte, während ich trank.“

Kennt Ihr seinen Namen, sein Alter, seinen Wohnort … irgendetwas in dieser Art?“

„… Er hieß anscheinend Lencul und ich kenne sein Alter nicht. Er sah jung aus, aber manchmal sah er auch älter aus. Wir trafen uns in der Grafschaft Doublet, aber ich glaube nicht, dass er dort gelebt hat. Er sagte, er sei dorthin gekommen, um seine Brüder zu treffen.“

Lencul? Das sind nur die Silben deines Namens, die anders angeordnet sind. Er hat dir einen völlig falschen Namen gegeben – er hatte nicht einmal die Absicht, das zu verbergen. Du weißt nicht einmal, ob er wirklich ein Zauberer ist. Letztendlich weißt du gar nichts, oder?“

Ich habe bereits gesagt, dass ich nicht viel weiß …“, protestierte Cullen schüchtern und war dem Söldner gegenüber misstrauisch.

Dann, wisst Ihr etwas über diese Gravur? Hat er etwas darüber gesagt?“ Louison zeigte Cullen das Symbol in der Kiste.

Cullen nickte: „Ja, ja. Er hat ein bisschen darüber erklärt – er sagte, es sei das Symbol der Person, der er dient. Die Hörner stehen für Autorität und Würde, und die Bergziege steht für … Was hat er gesagt? Hmmm. Ah, und das zusätzliche Auge symbolisiert, dass er seine Augen für die Wahrheit geöffnet hat. Klingt das nicht wie ein Zauberer? Zauberer sprechen oft über die Wahrheit der Welt. Diesmal habe ich deine Frage gut beantwortet, oder?“

Was ist mit diesem Kerl los? Das war doch nicht besonders schwer zu sagen, oder?“

Louison hatte Kopfschmerzen. „Jedenfalls… Also… Er gehört zu Rugers Bande, richtig?“

Es scheint so“, sagte Carlton.

Verdammt! Das stimmt. Es kann unmöglich so viele Verrückte geben, die Monster verschenken.“ Wut überkam den jungen Herzog. Bevor ich zurückging, begann da auch die 'Plage' mit Cullen, wie in dieser Zeitlinie?

In der vorherigen Zeitlinie hatte sich das Schlangenmonster ausgebreitet und den Mittleren Westen des Königreichs in ein Staubfeld verwandelt. Hätte der einarmige Pilger das Monster nicht erkannt, hätte sich die Population der Schlangenmonster ungehindert im ganzen Königreich ausgebreitet. Selbst als sie starben, dachten die Menschen damals, sie litten an einer ansteckenden Krankheit.

Sie verübten im ganzen Land allerlei Übeltaten … Wer in aller Welt waren Ruger und seine Bande? Und welche Rolle spielte Louison in ihren Plänen? War er das Ziel?

Ruger, was in aller Welt denkst du dir dabei? Welche Rolle spiele ich in deinen Plänen?

Louison biss sich auf die Lippen, während er an Ruger dachte. Der Adjutant, den er gut zu kennen glaubte, wurde ihm mit der Zeit immer fremder.

Ich weiß nicht, was diese Leute wollen. Ich habe keine Ahnung.“

Die Dorfbewohner einer abgelegenen Bergsiedlung auslöschen, schwangere Frauen entführen, einen zwielichtigen Altar benutzen und Monster mit seltsamem Gift auf die Bevölkerung loslassen …

Es war nicht so, als wollten sie Gebiete erobern. Sie wollten nicht einmal ein Vermögen anhäufen. Es schien nicht einmal so, als wollten sie nach Macht streben. Die Gruppe schien sich heimlich und leise zu bewegen, um ein größeres Ziel zu verfolgen, aber er konnte sich nicht einmal die groben Motive vorstellen.

Und der Zauberer? Hatte die Fähigkeit, Monster zu kontrollieren, etwas mit Magie zu tun? Und wer war dann die Person, die die Gruppe anführte?

Mit zunehmenden Informationen schien Rugers Bande immer geheimnisvoller zu werden.

Ihren Taten nach zu urteilen, sehen sie aus wie Bösewichte, die versuchen, die Welt ins Chaos zu stürzen. Na ja, so etwas in der Art. Als ob sie alle ins Verderben stürzen wollen.“

Carltons Theorie klang so plausibel, dass Louison ein Lachen nicht unterdrücken konnte.

Schließlich war die Welt der vorherigen Zeitlinie ein totales Chaos gewesen. Wie ein altes Sprichwort besagte: Wenn ein Land zusammenbricht, folgt Unglück.

Naturkatastrophen, Kriege, Hungersnöte, Seuchen – alles war passiert. Wenn man eine besonders ketzerische Meinung äußern würde, könnte man sagen, dass alles ein böses Vorzeichen für den Untergang, für eine Apokalypse, war.

Vielleicht ist es ein ketzerischer Kult. Zu meiner Zeit hatte die Kirche nicht besonders enthusiastisch Ketzer verfolgt, aber…

Die Kirche glaubte an einen einzigen wahren Gott. Einen Gott, der das Licht symbolisiert. Alle anderen Glaubensrichtungen wurden als ketzerisch dargestellt und streng bestraft. Der Inquisitor, der diese Kulte ausrottete, war für seine unglaubliche Bösartigkeit bekannt.

Diese Person war anscheinend sehr fromm und zielstrebig. Einmal in ihren Händen, würden einem alle Knochen gebrochen, bis man ein Geständnis ablegte. Was für ein blutiges Gerücht. Da Louison ein Leben in Ausschweifungen geführt hatte, drohten die neugierigen Leute, die ihn als Ärgernis betrachteten, oft damit, dass der Inquisitor ihn besuchen würde. Der junge Herzog hatte ihn jedoch nie persönlich getroffen.

Was ist mit dieser Welt passiert, nachdem ich gestorben bin…?

Louison versuchte, sich das vorzustellen, hielt aber bald inne. Der Gedanke an den einarmigen Pilger, der allein starb, machte ihn traurig.

Der junge Herzog und der Söldner unterhielten sich weiter, konnten aber noch keine Schlussfolgerungen ziehen. Sie hatten noch zu wenig Informationen.

Inzwischen war die Zeit vergangen und die Sonne war aufgegangen. Da es für die Schlange an der Zeit war, in die Kiste zurückzukehren, hatten Louison und Carlton vereinbart, ihr Gespräch zu verschieben und zuerst die Schlange zu fangen.

Es war nicht schwer das Monster zu fangen. Sobald sie Cullen davon abhielten, sich einzumischen und die Kiste weit weg stellten, kroch die Schlange langsam heraus. Die Schlange war unvorbereitet. Carlton spaltete ganz einfach den Kopf der Schlange in zwei Hälften.

Das Monster starb, bevor es die nahende Gefahr realisieren konnte. Verglichen mit der Angst, die es auf dem Schiff ausgelöst hatte, war sein Tod zu einfach.


***


Sobald Louison und Carlton Cullen aus dem Schiffsrumpf gezerrt hatten, erstrahlte ihre Welt im blauen Licht der Morgendämmerung. Obwohl es früh war, begaben sich die beiden direkt zur Kapitänskammer. Es war an der Zeit, die ganze Geschichte zu enthüllen und um Hilfe zu bitten.

Der Kapitän begrüßte die beiden mit einem erschöpften Gesichtsausdruck. Es wäre katastrophal für ihn, die Existenz einer lokalen Epidemie auf dem Schiff zu ignorieren und im Hafen anzulegen. Jedoch fühlte er sich, als würde er von den Passagieren verprügelt werden, wenn er das Schiff unter Quarantäne stellte. Er hatte die ganze Nacht damit verbracht, sein Gehirn zu zermartern, aber keine Wunderlösung fand sich ein.

Er konnte weder dies noch das tun. Egal, wofür er sich entschied, der Kapitän würde die Folgen tragen müssen. Ehrlich gesagt würde er lieber in den kalten Fluss springen, als sich mit dieser Angelegenheit zu befassen.

Ja, ich springe einfach! Gerade als er das dachte, erschien Louison.

Dieser Mann hatte nicht nur das Problem gelöst, sondern auch erklärt, wie man das Gegenmittel herstellte. Für den Kapitän war Louison wie ein vom Himmel gesandter Engel.

Wie habt Ihr gewusst, dass die Ursache ein Monster und keine ansteckende Krankheit war? Ich habe gehört, dass Pilger und wandernde Priester den Menschen in Not oft mit ihrer großen Einsicht helfen – ich denke, das stimmt. Ich danke Euch von ganzem Herzen.“ Der Kapitän neigte seinen Kopf so tief, dass er bis zu den Knien reichte, als er dem jungen Herzog für seine harte Arbeit dankte. Dann rief er die Seeleute herbei und bat sie, nachzusehen, ob sich unter den Passagieren ein Apotheker oder ein Heilkundiger befände.

Louison und Carlton beschlossen, diese Angelegenheit dem Kapitän zu überlassen, und wollten unbedingt in ihre Kajüte zurückkehren. Cullen war ebenfalls dem Kapitän anvertraut worden. Obwohl er nichts von der wahren Natur seines Haustiers als Monster wusste, würde es für den armen Handlanger schwierig sein, einer Bestrafung zu entgehen. Es wäre ein Glück, wenn er nicht von den anderen Passagieren, die die Wahrheit herausfinden könnten, zu Tode geprügelt würde.

Der Vorfall war zwar beendet, doch sie fühlten sich nicht wirklich erleichtert.

Sobald sie in die Kajüte zurückgekehrt waren, warf Louison seine Robe ab, setzte sich auf die Kante der Koje und holte einen kleinen Beutel aus seinem Gepäck. Darin befand sich das Knochenmesser, das er in der Höhle des Tausendfüßlers gefunden hatte. Auf der Flucht vor dem Monster hatte er das Messer versehentlich mitgenommen. Louison fühlte sich zu unwohl, um es irgendwo wegzuwerfen, also trug er es mit sich herum, für den Fall, dass es sich als eine Art Hinweis erweisen könnte.

Er legte es neben die Holzkiste, in der die Schlange gewesen war, und blickte abwechselnd zwischen den beiden hin und her. Auf den ersten Blick sahen sie schlicht aus, nicht wie Gegenstände, die in ominöse Ereignisse und verdächtige Intrigen verwickelt waren.

Wohin sie auch gingen, bemerkten sie, dass Rugers Bande seltsame Dinge tat, aber sie waren ihnen noch nie begegnet. Sie wurden immer auf der Durchreise in die Angelegenheiten der Bande verwickelt. Im Gehirn des jungen Herzogs bildete sich ein riesiger Knoten der Frustration. Carlton sah den jungen Herzog besorgt an.

Louison sagte: „Ich wünschte, wir würden diesen Leuten direkt begegnen. Dann könnten wir zumindest fragen, was sie vorhaben.“

Aber das sind Leute, die meinen Herzog entführen wollen. Wenn sie dich sehen, werden sie versuchen, dich gefangen zu nehmen.“

Gerade deswegen will ich es! Ich habe keine Ahnung, was sie sich dabei denken! Was wollen sie mit meiner Entführung erreichen?“

Der Süden würde verrückt spielen, wenn das passieren würde.“ Irgendwann hatte Carlton eine Flasche aus dem Schrank geholt und hielt sie nun in der Hand.

Wann hat er die herausgenommen?

Louison sehnte sich verzweifelt nach einem Getränk.

Er fühlte sich, als würde er ohnmächtig werden. So erschöpft und müde war er vom Herumlaufen in der Nacht, aber er konnte nicht ruhen, weil sein Gehirn vollgestopft war mit Theorien. Nach seiner Rückkehr hatte Louison versucht, wenn möglich, keinen Alkohol zu trinken. Vielleicht wäre es aber heute in Ordnung, ein wenig zu trinken. Der junge Herzog nahm die Flasche, trank ein paar Schlucke und gab sie dem Söldner zurück.

Nun, ich nehme an, es würde ein Chaos herrschen.“ Es wäre in Ordnung, wenn die Person 'Louison' verschwände. Wenn jedoch der 'Lord von Anness' verschwand, würde das Herzogtum zusammenbrechen. Ohne die Unterstützung der fruchtbaren goldenen Felder wäre er kein Adliger, keiner der großen Lords und der mächtigste Aristokrat im Süden.

Die Stellung des neuen Königs würde auch instabil werden.“ Carlton gab dem jungen Herzog ein paar Süßigkeiten und setzte sich ihm gegenüber. Der Söldner neigte die Flasche zu seinem eigenen Mund. Die Kojen standen so nah beieinander, dass ihre Knie sich berührten. Obwohl das schon häufiger vorgekommen war, waren die Beine des jungen Herzogs aus irgendeinem Grund angespannt.





3 Kommentare:

  1. Danke für die zwei Kapitel! Ich bin gespannt, welche Monster demnächst noch so auftauchen werden...

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  2. Genau all diese Fragen die Louison hat, habe ich auch. Allein die Kiste mit der Bergziege... so viele Fragen und die Antworten scheinen noch sehr fern. Aber es werden sicherlich keine angenehmen Antworten werden.

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  3. das selbe bei der kiste wie damals in der höhle. ist das ein besonderer kult und wollen sie luis als jungfrau opfern. ok das ist vielleicht zuweit hergeholt. die sonne ging auf und der schlange wurde der kopf gespaltet. jetzt können sie das gegengift machen. was woll noch auf sie zukommen wird bin ich schon gespannt.

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