Kapitel 71


Nachdem dieser Mann an seiner Krankheit gestorben war, hatte er sich in einen Ghul verwandelt. Ghule waren ziemlich unangenehm, aber an und für sich stellten sie keine große Bedrohung dar. Es war eher beunruhigend zu hören, dass die anderen Mitglieder der Allos-Karawane, die bei dem Toten geblieben waren, ebenfalls dieselben Symptome zeigten.

„Es ist eine ansteckende Krankheit! Eine Epidemie!“ Die Leute rannten aus der Bordmesse. In Panik schienen sie fest entschlossen, sowohl den Ghul als auch die anderen Mitglieder der Karawane zu töten.

Auch Louison und Carlton verließen die Messe, um nicht von der in Panik geratenen Menge mitgerissen zu werden. Schließlich waren Infektionskrankheiten wie unsichtbare Boten. Sie hatten keine andere Wahl, als noch mehr Angst zu haben. Wer wusste schon, wann die Sichel des Todes jemandem das Leben nehmen würde. Diejenigen, die glaubten, die Epidemie sei ein Fluch, versuchten, sich an Louison zu klammern, der als Pilger verkleidet war. Hätte Carlton die Menschen nicht rasch abgewehrt und Louison fortgebracht, wäre dieser in ihrer Gewalt gewesen.

Carlton schob Louison in ihre Kajüte und schloss die Tür ab. Wandernde Leichen, ansteckende Krankheiten, Menschen, die vom jungen Herzog Gebete erbaten… All das war schlichtweg zu viel.

Er war sich sicher, dass auch der junge Herzog erschrocken war. Carlton wandte sich an den jungen Herzog, um ihn zu beschwichtigen, aber Louison hatte die Initiative ergriffen und seine Robe ausgezogen. Entgegen seiner Erwartungen war der junge Herzog ruhig und gelassen. Er hatte überhaupt keine Angst.

„Du solltest auch schnell die äußeren Gewänder ablegen“, sagte Louison.

„Was?“

„Auch wenn wir den Mann nicht berührt haben, so haben wir doch den Ghul und das Mitglied der Allos-Karawane gesehen. Es wäre sicherer, die äußeren Gewänder zu wechseln“, erklärte Louison überzeugt. Obwohl der Söldner den Zusammenhang zwischen einer ansteckenden Krankheit und seinem Mantel nicht verstand, tat er dennoch, was ihm gesagt wurde, und steckte seinen Mantel in einen Beutel.

Anschließend goss Louison Wasser in eine Schüssel und wusch sich die Hände. „Du solltest dir auch die Hände waschen.“

Carlton wusch sich nachlässig die Hände. Louison sah so ruhig aus, dass es seltsam war.

„Nicht so! Mach es richtig.“ Der junge Herzog nahm die Hände des Söldners und rieb sie, um Seifenschaum zu erzeugen. Louisons weiche Handflächen umschlossen Carltons Hände und rieben sie. Von der von Schwielen verhärteten Handfläche des Mannes bis zum zarten Fleisch zwischen den Fingern rieb Louison die Hände seines Gefährten gründlich.

Carlton errötete unwillkürlich bei der sanften Berührung. Beim Anblick von Louisons weißen, langen Fingern, die sich um seine rauen Hände schlangen, fühlte er sich schwindelig. Doch der junge Herzog handelte gewissenhaft, wie jemand, der die Pfoten eines Hundes wäscht, und hatte keinerlei Hintergedanken. Carlton räusperte sich verlegen: „…Was machst du da?“

„So sollte man es machen. Es ist eine Vorsichtsmaßnahme.“

Das war etwas, was in der Zukunft alle tun würden. Louison wischte Carltons Hände mit einem sauberen Tuch ab und schüttete das Wasser weg.

„Du bist ziemlich ruhig. Ich dachte, das hätte dich mehr erschreckt“, bemerkte der Söldner.

Louison zuckte mit den Schultern. Immer wenn das Königreich eine Krise durchmachte, folgten mit Sicherheit schreckliche Dinge. Vor seiner Rückkehr waren im ganzen Land viele verschiedene Krankheiten weit verbreitet gewesen. Darüber hinaus waren viele dieser Krankheiten hoch ansteckend gewesen. Mit Ausnahme des Südens war er durch das ganze Königreich gewandert und hatte viele Gerüchte und Informationen über diese Krankheiten gehört. Und durch den einarmigen Pilger, den er begleitet hatte, hatte der junge Herzog sich ein umfangreiches Wissen über solche Dinge angeeignet.

Die vielen Erfahrungen seines Lebens auf Wanderschaft ermöglichten ihm, seine Ruhe zu bewahren. „Ich habe keine Angst vor dieser Seuche. Ich habe so etwas noch nie gehabt.“

Louison hatte keine Angst vor Ansteckungen. Seine langen Wanderungen und der Hunger hatten zwar seine Kraft geschwächt und seinen Körper geschunden, dennoch war er gesund geblieben.

Sogar in ein verseuchtes Dorf war er gekommen, ja, sogar mit einem Kranken hatte er in der selben Kutsche gesessen. Dennoch hatte er sich nie angesteckt. Ob dies an einem besonders widerstandsfähigen Körper oder an einem Segen lag, den er von einem hochrangigen Kirchenmitglied gleich nach seiner Geburt erhalten hatte, wusste er nicht. Sicher war er sich nur, dass sein Körper robuster war, als er wirkte.

„Und du?“

„Ich musste mir auch nie Sorgen machen, krank zu werden. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie krank.“

„Dann ist das eine Erleichterung.“

Louison erinnerte sich vage an Gerüchte, dass Carlton einmal wegen einer Seuche gefallen sei oder dass er aus Furcht vor einer Pest geflohen war. Auch wenn sich das nicht mit Sicherheit bestätigen ließ, war es doch beruhigend, dass sie nicht in der Kajüte bleiben und vor Angst zittern mussten.

„Mehr als das macht mir das Schiff Sorgen. Was denkst du? Wird es den Kurs fortsetzen oder vielleicht umkehren und nach Mittil zurückfahren?“

„Das liegt im Ermessen des Kapitäns, aber … Wir werden wahrscheinlich nicht nach Mittil zurückkehren. Sobald es ums Geld geht, wird die Lage kompliziert.“

Außerdem wäre es für sie das Beste weiterzureisen, denn zurückkehren wollten die beiden ohnehin nicht.

„Ich glaube, wir werden unser Ziel wie geplant erreichen. Da unsere Fahrkarten günstig waren, wird der Kapitän versuchen, den Verlust so gering wie möglich zu halten.“

„Das ist gut zu hören.“

„Das ist aber nicht das Problem. Das Schiff kann möglicherweise nicht im Hafen anlegen.“

„Oh?“ Louison riss die Augen auf. An diese Möglichkeit hatte er noch gar nicht gedacht.

„Die Seuche könnte sich ausbreiten. Die Zielstadt könnte die Einfahrt verweigern. Im schlimmsten Fall würde das Schiff nirgends anlegen dürfen und den Fluss hinab irren.“

„Das wäre schlimm!“ Die schlimmste Vorstellung für Louison und Carlton wäre, auf dem Wasser gefangen zu sein. Mit Ruger im Rücken, einer weiten Strecke vor ihnen und dem drohenden Tod des Königs wäre es katastrophal, festzusitzen! „Was sollen wir tun? Wir können keine Zeit verschwenden.“

„Wir werden entweder ein kleineres Boot nehmen und fliehen oder beten, dass die Krankheit nicht ansteckend ist.“

„Seufz…“ Louison ließ den Kopf hängen. Warum musste das ausgerechnet hier passieren?

„Wenn die Krankheit in Mittil ausgebrochen ist, wäre dies auch für andere Schiffe ein Problem. Vielleicht könnte kein weiteres Schiff auslaufen.“ Carlton versuchte, ihn zu beruhigen, aber die Worte schienen sein Herz nicht zu erreichen.

Louison saß da, die Arme verschränkt, und durchforstete seine Erinnerungen. Welche Krankheiten gab es dieses Jahr?

Einige Krankheitsbilder kamen ihm in den Sinn, aber er war sich nicht sicher, ob sie zur Krankheit der Allos-Karawane passten. Schließlich hatte er die Kranken nicht aus der Nähe gesehen. Der junge Herzog war mit seinen eigenen Angelegenheiten so beschäftigt gewesen, dass er die Ghule nicht einmal richtig betrachtet hatte.

„Ob Ghule oder die Kranken, ich könnte vielleicht verstehen, was geschehen ist, wenn ich sie untersuchen könnte… Vielleicht kenne ich sogar ein Heilmittel“, murmelte Louison.

„Mein Herzog?“

Louison nickte und fasste seinen Entschluss. „Lass uns in die Messe zurückkehren. Der Mann von der Karawane und der Ghul sollten noch dort sein. Wir sollten mehr von ihnen erfahren und versuchen, die übrigen Mitglieder zu treffen. Was meinst du? Wenn dir das unangenehm ist, gehe ich allein.“

„Du gehst dorthin zurück?“ Carlton überlegte, den jungen Herzog bewusstlos zu schlagen und mit ihm vom Schiff zu fliehen. Auch wenn er gesund zu sein schien, der Söldner wollte ihn während einer möglichen Epidemie nur ungern mit einem Ghul und Kranken zusammentreffen lassen. Louison jedoch war bereit, dies ganz allein zu tun.

Was denkt er sich nur…?

Louisons Kopf war zwar hübsch und wohlgeformt, aber der Söldner hatte keine Ahnung, was in seinem Inneren vorging. Sein eigener Kopf schmerzte. Normalerweise war der junge Herzog fügsam, aber manchmal war er entschlossen, etwas Verrücktes zu tun.

Angesichts von Louisons dürftiger Bildung war es offensichtlich, dass er in speziellen Gebieten wie der Medizin wenig Ahnung haben konnte. Dennoch wirkte der junge Herzog selbstsicher, und der Söldner wusste, dass Louison oft überraschende Einsichten hatte.

War er einmal entschlossen, so gab es oft einen Grund dafür, und seine Hartnäckigkeit brachte häufig gute Ergebnisse.

Es sieht so aus, als ob er Vertrauen in sich selbst hat … und etwaige Konflikte kann ich handhaben … Außerdem hört er ja eh nicht auf mich, wenn ich ihm sage, dass er nicht gehen soll …

Ohne von den Gefahren zu ahnen, neigte Louison zu allerlei seltsamen Taten. Dieser Mann würde heimlich alles tun, was er wollte, es sei denn, man fesselte ihn und sperrte ihn ein. Wer außer ihm konnte in dieser gefährlichen Welt auf Louison Acht geben? Nach längerem Zögern entschied sich Carlton.

„Wohin in der Welt sollte ich ohne meinen Herzog gehen?“, sagte Carlton unverblümt.

Louison, der an die spitze Ausdrucksweise des Söldners gewöhnt war, lachte nur. Der Söldner bellt und beißt nicht.

Die beiden kehrten in die Bordmesse zurück. Diesmal bedeckten sie Nase und Mund mit Stoff und trugen Handschuhe. Der Söldner hatte keine Ahnung, wie diese Methoden helfen sollten, aber er befolgte einfach die Anweisungen des jungen Herzogs.

Wie erwartet war die Messe leer, da die Bewohner des Schiffes aus diesem Bereich geflohen waren. Statt einer Menschenmenge standen dort ein Ghul, der Mann aus der Allos-Karawane und eine unerwartete Person – Morrison.

Morrison hatte wie sie Nase und Mund bedeckt, trug Handschuhe und drängte den Ghul mit einem langen Stock in eine Ecke. Der Mann aus der Allos-Karawane weinte, während er diese Szene beobachtete.

„Herr Morrison?“

„Ihr beide. Seid ihr nicht in euer Kajüte zurückgekehrt? Ist etwas passiert?“, reagierte Morrison ziemlich scharf. Es schien, als sei der Mann aufgrund der unerwarteten Krise besonders empfindlich. Er war wie ein Fuchs, der seine Umgebung im Auge behielt.

„Ja, nun, es gibt etwas, das ich überprüfen möchte, also bin ich zurückgekommen. Was ist mit Ihnen?“, fragte Louison.

„Als ich vorbeikam sah ich den bekümmerten Mann aus der Allos-Karawane mit dem Ghul. Auch dieser Ghul war früher ein Mensch. Ich bin hingegangen, um ihnen zu helfen.“

Da war wieder der Menschenfreund Morrison. Ich bin nur ruhig, weil ich die Zukunft kenne. Morrison ist unwissend und hat sich dennoch bereit erklärt, zu helfen.

Louisons Herz war berührt, als er sich an die Wärme des Händlers aus der vorherigen Zeitlinie erinnerte, als er dem jungen Herzog eine Fahrkarte überreichte.

Auch wenn dieser Mann allen möglichen seltsamen Missverständnissen und Wahnvorstellungen zum Opfer fallen mag, ist er durch und durch ein freundlicher und sanftmütiger Mensch.

„Wir helfen auch“, sagte Louison.

„Ah, das wäre mir sehr nützlich. Ich habe darüber nachgedacht, den Ghul in einen leeren, ungenutzten Lagerraum zu schieben.“

„Könntest du ihm nicht einfach ins Genick schlagen?“, fragte Carlton.

„Nun, er könnte nach einer Weile aufstehen und sich wieder in Bewegung setzen …“

„Das stimmt. Am besten wäre es, ihn zu verbrennen, doch an Bord Feuer zu entzünden, ist riskant. Auch wenn der Ghul selbst keine Gefahr darstellt, ist er unschön und unrein… Man sollte ihn besser einsperren. Er hat nicht den Verstand, um eine Tür zu öffnen.“ Louison nickte und bewunderte Morrisons Wissen.

Carlton dagegen war misstrauischer. „Du scheinst viel über Ghule zu wissen – sie sind ja selten. Ich selbst sehe so etwas zum ersten Mal.“

„Die Wissenden, wissen. Der verehrte Pilger scheint auch viel Kenntnis über diese Wesen zu haben – er muss über ein großes Wissen verfügen.“ Morrison schenkte ihm ein freundliches Lächeln, doch Carlton spürte einen verborgenen Unterton. Was für ein beunruhigender Mann.





2 Kommentare:

  1. Entgegen Carltons Erwartungen, ist Louison ganz ruhig und weiß was zu tun ist. Ein großer Vorteil, das ihn und Carlton helfen wird, sich nicht anzustecken. Auch wenn beide wohl ein gutes Immunsystem haben, weiß man nie ob es einen nicht doch noch erwischt. Und während Louison Carlton beim Händewaschen hilft, drehen dessen Gedanken wieder durch XDD
    Nur Morrison gibt mir Rätsel auf, was sein Verhalten angeht.

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  2. luis scheint so einiges zu wissen. wie er vorsorglich carls hände wäscht und dieser so einige gedanken hat. er wurde also nie krank auch wenn er wo war wo kanke gab. jetzt will er den ghul auch noch genauer ansehen. morrison gibt mir zu denken.kann es sein das er doch nicht genau der ist was er vor gibt zu sein. was wird noch geschehen.

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