Kapitel 49


Das Dorf war von einem Holzzaun umgeben, der so hoch war wie Louison. Es war selten, in so abgelegenen Bergen solch wunderbare Holzarbeiten zu sehen.

Gibt es in dieser Region normalerweise viele Monster?“, fragte Louison.

Nein. Da wir uns inmitten hoher Berge und tiefer Täler befinden, gibt es viele große Bestien – der Zaun wurde deshalb so hoch gebaut. Was Monster betrifft … wir haben gelegentlich Goblins gesehen.“

Louison wartete draußen mit den Räubern, während Carlton vorausging und innerhalb der Einfriedung Ausschau hielt.

Im Dorf herrschte Totenstille. Wie Carlton vermutet hatte, war das Monsterrudel bereits fort. Auf das Zeichen des Söldners folgten Louison und die Räuber ihm ins Dorf.

Der Ort war ein einziges Chaos – eine Ruine. Landwirtschaftliche Geräte und andere Kleinigkeiten lagen verstreut entlang der Straßen. Hier und da waren zerstörte Häuser und getrocknete Blutflecken zu sehen. Weinend eilten die Räuber weiter, um ihre eigenen Häuser zu finden, und Carlton und Louison erkundeten das zerstörte Dorf gemeinsam.

Ritter Carlton, hier.“ Louison zeigte auf die Holztür eines Gebäudes. Es gab Spuren mehrerer Kratzer, die von scharfen Krallen auf dem Holzrahmen hinterlassen worden waren. Als sich die Bewohner in dem Gebäude versteckt hatten, hatten die Monster wohl versucht, die Tür einzuschlagen.

Anschließend fanden die beiden Pfotenabdrücke von vierbeinigen Tieren, Bissspuren und etwas, das wie Fell aussah.

Das sieht alles nach Spuren von Schattenwölfen aus, oder?“, fragte Louison.

Ja. Es sieht aus, als würde alles zu einem Schattenwolf gehören. Dem Zustand des auf dem Boden vergossenen Blutes nach zu urteilen, bin ich sicher, dass es mindestens zehn Tage her ist, wie die Räuber gesagt haben.“

„… Zehn Tage… Das sind sieben Tage, bevor ich angegriffen wurde. Glaubst du, dass das von demselben Rudel gemacht wurde, das mich angegriffen hat?“

Wenn es nicht zwei Rudel von Schattenwölfen gibt, … würde das bedeuten, dass die Monster, die dieses Dorf angegriffen haben, und diejenigen, die meinen Herzog attackierten, ein und dasselbe Rudel waren …“

Louison und Carlton hatten auf ihrem Weg um den Berg wahrscheinlich eine ziemliche Strecke zurückgelegt – der Ort, an dem Louison angegriffen worden war, und dieses Dorf waren nicht allzu weit voneinander entfernt. In dieser Zeit hätten die Schattenwölfe diese Distanz definitiv überwunden haben können.

Zudem war es selten, dass Monster menschlichen Befehlen gehorchten. Es wäre vernünftig anzunehmen, dass beide Angriffe von demselben Monsterrudel ausgeführt worden war.

Aber vor zehn Tagen war Ruger mit mir im Schloss. Er kann nicht derjenige gewesen sein, der die Schattenwölfe in dieses Dorf gebracht hat.“

Wenn nicht Ruger, dann vielleicht ein Komplize?“

Das ist möglich.“

Unter diesen Umständen war es sehr wahrscheinlich, dass Ruger Teil einer kriminellen Bande war.

Ruger war – völlig außer sich vor Sorge – damit beschäftigt gewesen, für seinen Herrn zu packen. Hatte er sich damals mit seiner Bande abgesprochen, um den Angriff vorzubereiten?

Kein Wunder, dass er so gequält aussah“, murmelte Louison. Dieser verdammte Bastard. Nachdem er das alles getan hatte, wagte er es, seinem Herrn gegenüber zu jammern, wie müde er war? In Louison loderten Flammen des Zorns.

Carlton klopfte Louison auf die Schulter. Danach atmete der junge Herzog tief durch und schluckte seinen Ärger hinunter. Plötzlich kamen die Räuber zurück gerannt. Sie stammelten zusammenhanglose Worte, als wären sie von einem Geist besessen.

Sprecht deutlich! Was ist los?“, fragte Carlton.

Nichts. Da ist absolut nichts.“

Was?“, ärgerte sich Carlton und drohte, sie zu bestrafen, wenn sie weiterhin solchen Unsinn redeten.

Die Räuber kreischten und wurden blass. „Es gibt Blutflecken, aber keine Menschen weit und breit!“

Da Monster aufgetaucht sind, müssen alle Überlebenden geflohen sein“, antwortete Carlton.

Nein, es ist nicht das… Wir sehen nicht mal die Toten. Also…“, während die beiden Räuber, die zuerst gekommen waren, nur zusammenhanglos sprachen, schrie ihr Gefährte, der dicht hinter ihnen gefolgt war: „Die Leichen! Wir können keine Leichen finden!“

Wovon reden sie?“, fragte Louison.

Die Räuber eilten herbei und drängten sich um den jungen Herzog und den Söldner. „Wir wissen nicht, was los ist. Da ist nichts! Es müssten doch Leute da sein – zumindest Leichen müssten zurückgeblieben sein …!“

Nachdem die Monster angegriffen hatten, waren die Räuber nicht ins Dorf zurückgekehrt. Daher waren die Leichen der toten Dorfbewohner zurückgeblieben. Doch es gab nur verstreute Blutflecken. Die Räuber waren schockiert, dass keine Leichen zurückgeblieben waren.

Könnte jemand die Leichen weggeräumt haben? Vielleicht gab es andere Überlebende“, warf Louison ein.

Die Männer ließen sich leicht von der unlogischen Aussage des jungen Herzogs überzeugen, weil sie glauben wollten, dass es noch andere lebende Dorfbewohner gab. „I-ist das so?“

Das könnte möglich sein!“, sagten die Männer erleichtert.

Während er die Szene beobachtete, murmelte Carlton leise, so dass nur Louison es hören konnte: „Ich glaube nicht, dass die Dorfbewohner für das Aufräumen verantwortlich waren. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Leichen bewegt wurden.“

Carlton waren bereits merkwürdige Unstimmigkeiten mit den Funden der Räuber aufgefallen.

Woher weißt du das?“, fragte Louison.

Wenn ein Dorfbewohner die Leichen weggebracht hätte, müsste es Schleifspuren auf dem Boden oder lange Blutspuren geben. Aber so etwas gibt es nicht.“

Also?“ fragte Louison.

Zumindest können sie nicht einfach aufgestanden und selbst weggegangen sein.“

Hmm…“

Sie mussten gebissen und weggetragen oder gefressen worden sein – grausame Dinge, die sich Louison nicht vorstellen wollte. Der junge Herzog erbleichte.

Als Carlton das sah, dachte er sofort daran, das Thema zu wechseln. Es war nicht gut, in einem Dorf zu bleiben, in dem so seltsame Dinge passiert waren. „Es scheint, als gäbe es hier nichts mehr zu sehen. Lass uns losgehen. Wir sollten vor Sonnenuntergang einen Platz zum Übernachten finden.“

Auf Carltons Drängen hin blickte Louison noch einmal über das zerstörte Dorf. Obwohl der Ort klein und arm war, konnte er erkennen, dass es ein mit Sorgfalt und Liebe gepflegtes Zuhause war. Daher erfüllte die Tragödie dieses Dorfes den jungen Herzog mit noch größerer Melancholie.

„…Verstanden.“ Louison empfand Mitleid und Trauer für das Dorf, das von diesen Unglück heimgesucht worden war, aber er konnte nichts tun. Wenn Schattenwölfe durch diesen Ort gezogen waren, konnten sie schließlich jederzeit zurückkommen. Nicht nur wurden die beiden gejagt, sondern Louison konnte ohne Carlton auch kaum jemandem helfen.

Wenn ihr etwas erfahrt, lasst es mich bitte wissen. Meine Eltern wurden von diesen Bastarden getötet. Würde nicht jeder gerne wissen, wer seine Feinde sind?“, fragte ein Räuber vorsichtig, während Carlton und Louison miteinander sprachen. In nur einer Nacht hatten sie ihre Häuser, Nachbarn und Familien verloren. Sie fragten sich natürlich, was vor sich ging. Sie hatten keine Wahl, als in der Gegend herumzuirren, da sie keine Mittel hatten, aber sie hatten sich nicht mit dem Geschehenen abgefunden.

Als Louison sah, wie ernst sie es meinten, plagte ihn das Schuldgefühl. Wenn ich ihr Ziel war, dann hätten sie nur mich angreifen sollen. Warum ein unschuldiges Dorf angreifen?

Wir wissen auch nichts. Selbst wenn wir etwas wüssten, wäre es besser für euch, unwissend zu bleiben“, antwortete Carlton entschlossen. Seine Worte waren hart, aber es lag auch Weisheit darin.

Diese Angelegenheit war mit dem Großen Herrn des Südens und den unbekannten Mächten verknüpft, die es auf ihn abgesehen hatten.

Diese Feinde verfügten eindeutig über außerordentliche Macht und hatten es seit vielen Jahren auf Louison abgesehen. Es war klar, dass der Täter keine gewöhnliche Person war.

Carlton und Louison wussten beide, dass das bloße Wissen um die Identität des Feindes ein Motiv für Mord sein könnte.

Stattdessen entschuldigte sich Louison aufrichtig: „Es tut mir leid, dass ich euch nicht mehr sagen kann. Macht euch bitte nicht zu viele Sorgen. Mehr noch, was wollt ihr jetzt tun? Werdet ihr weiterhin in diesen Bergen bleiben?“

„…Wir werden gehen müssen. Vielleicht sind wegen der Monster die Tierbestände und das Grün in diesen Bergen verschwunden… Wir haben keine Möglichkeit, hier zu überleben.“

Gibt es einen Ort, an den ihr gehen könnt?“

„…gibt es nicht“, antworteten die Räuber verlegen.

Louison wusste, wie es war, keinen Zufluchtsort zu haben. Wie schlimm muss es sich anfühlen, sein Zuhause, das man Jahrzehnte lang hatte, zu verlieren und mit nichts dazustehen? Obwohl die Räuber ihn fast ausgeraubt hätten, konnte Louison nicht anders, als ihnen einige Ratschläge zu geben – er war zu unruhig, um sie zu ignorieren. „Geht von hier aus nach Westen und ihr werdet auf ein Feld stoßen. Wenn ihr etwa zwei Wochen nach Süden geht, kommt ihr zu einem Dorf. Die Bevölkerung dort ist in letzter Zeit ziemlich zurückgegangen, also werden sie euch alle aufnehmen.“

Louison kannte dieses Dorf, das an einem Mangel an Arbeitskräften litt, da er sich intensiv mit seinem Herzogtum beschäftigt hatte. Der junge Herzog erzählte ihnen auch von den 'vergrabenen alten Hexen'. Nun, da sie wussten, wie sie ihren Hunger stillen konnten, würden sie keine Raubzüge mehr unternehmen.

Diese Menge an Informationen war für Louison nicht viel, aber für die Räuber waren sie von großem Wert. Sie verneigten sich immer wieder und dankten ihm: „Danke, mein Herr, danke!“

Für Menschen, die ziellos durch die Gegend irrten, fühlte es sich sehr bedeutungsvoll an, nun ein Ziel zu haben. Zudem war diese Information von Louison garantiert, einem Mann, dem man auf den ersten Blick ansah, dass er ein Adliger war.

Da Louison die Rolle des guten Samariters gespielt hatte, trat Carlton nun vor. „Was ihr hier gesehen habt, solltet ihr niemandem erzählen. Wenn irgendetwas davon bekannt wird …“

Carlton klopfte mit seinem Dolch und erinnerte sie daran, den Mund zu halten. Louisons Rat und Carltons Warnung lösten bei den Räubern genau das richtige Gleichgewicht zwischen Dankbarkeit und Angst aus, was sie noch entschlossener machte, vorsichtig zu sein.

Die Männer verabschiedeten sich von Louison und Carlton und verließen ihr Dorf. Sie waren fest entschlossen, denn sie hatten bereits ein hartes Leben hinter sich.

Der junge Herzog und der Söldner setzten ebenfalls ihre Reise fort. Bald ging die Sonne unter, und sie fanden einen Platz zum Übernachten. Die beiden saßen neben einem Lagerfeuer und rösteten einige 'vergrabene alte Hexen'. Auch wenn sie ein Feuer hatten, mussten sie schon wieder Wurzeln essen.

Die beiden füllten ihre Mägen und ordneten die Sachen, die sie aus dem Dorf mitgebracht hatten. Anschließend breiteten sie eine Decke auf dem Boden aus und legten sich zum Schlafen nieder. Louison lag ausgestreckt und starrte mit leerem Blick in den Himmel. Er konnte nicht schlafen, denn wenn er die Augen schloss, strömten Bilder des Dorfes durch seinen Kopf.

Der junge Herzog wälzte sich hin und her. Da sie nebeneinander lagen, war Carltons Gesicht deutlich in seinem Blickfeld. Dunkle Augenringe zeichneten sich unter seinen Augen ab, und ein struppiger Bart wuchs. Obwohl dieses raue, unordentliche Aussehen normalerweise nicht ansprechend war, passte es gut zu Carltons Männlichkeit. Die Augen des Söldners waren geschlossen, aber Louison konnte sehen, wie sich seine Augen hinter den geschlossenen Lidern bewegten.





3 Kommentare:

  1. Das Dorf ist nur ganz dezent gruselig O.o Nach diesem schrecklichen Überfall müssten wahrlich Leichen liegen oder Spuren davon, dass sie entfernt wurden oder sonst etwas zu sehen. Bis auf die Blutspuren, ist jedoch nichts zu finden. Es sind nur mehr Fragen entstanden und eine Ungewissheit, was mit den Dorfbewohnern passiert ist.
    Fürs erste haben die Bauern zumindest ein Ziel und können dort vielleicht neu anfangen.
    Louison findet jedoch am Abend keine Ruhe. Carlton dabei zu beobachten, macht es sicherlich nicht besser Ruhe zu finden XD

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  2. Keine Leichen? Könnten die Dorfbewohner in Schattenwölfe verwandelt worden sein? Ist vielleicht ähnlich wie bei Werwölfen...

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  3. keine menschenseele was ist geschehen. hat carl recht das diese wölfe die leichen vielleicht gefressen haben. wieso war luis ihr ziel und wieso. als nach sowas könnte ich auch nicht schlafen. einen anderen zu beobachten hilft vieleicht nur bei den beiden weis ich es nicht. was wird nun noch geschehen bin schon gespannt wie es weiter geht.

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