Es geschah augenblicklich. Louison riss die Augen auf und sagte hastig: „Ritter Carlton, ich bin es. Ich.“
„Herzog…“ Carlton runzelte die Stirn, noch halb schlafend. Auch seine Stimme klang schläfrig.
„Ja, genau. Ich bin es, der Herzog. Verstanden? Legen Sie erst einmal den Dolch beiseite.“
„Ah, entschuldigt. Ich habe im Halbschlaf gehandelt.“
Im Halbschlaf mit einem Dolch fuchteln? Dieser Mann ist wirklich gefährlich, oder?
Das war eine schreckliche Schlafgewohnheit. Außerdem war Carlton nackt. Da Louison nur in einem Nachtgewand gekleidet war, konnte er durch den dünnen Stoff die Berührung von Carltons nackter Haut deutlich spüren.
Er spürte die festen Muskeln, besonders die Berührung eines gewissen Teils, der unverschämt an seine Oberschenkel drückte.
Was ist das? Noch ein Bein?
Es fühlte sich zumindest so an, als wäre da noch ein Bein – so stark war seine Präsenz.
Kalter Schweiß lief Louison den Rücken hinab.
„Warum ist der Herzog hier? In diesem dürftigen Gewand.“ Carlton spielte ohne zu zögern mit dem zusammengeknüllten Stoff an Louisons Hüfte.
War er etwa noch nicht ganz wach?!
Louison wand sich unbehaglich. Carlton schien einfach nur den Stoff zu berühren, doch für Louison fühlte es sich an, als würde er ihn betatschen.
„Ich hatte nichts anderes als ein Nachtgewand anzuziehen. Letztes Mal, als ich mich heimlich aus dem Zimmer geschlichen habe, um die 'alten Weiber' auszugraben, wurde ich von Ruger erwischt. Seitdem hat Ruger all meine Kleidung weggenommen, damit ich nachts nicht alleine herumlaufe.“
„Deshalb bist du also so spät Nachts, nur im Nachtgewand, in dieses Bett gekrochen?“
„Wer sagt, ich sei hineingekrochen…. In das Bett haben Sie mich gezogen.“
Louison verstand nicht, warum er sich vor Carlton rechtfertigen musste, doch trotzdem tat er es. Sein Blick irrte ziellos umher. Carltons seltsames, durchdringendes Starren machte es schwer, ihm in die Augen zu sehen, und nach unten zu schauen war auch keine Option, denn dann hätte er von seiner Brust über die glatten Bauchmuskeln bis weiter hinab alles gesehen. Die ganze Situation war so unangenehm und aufreizend, dass er fast den Verstand verlor.
„Natürlich, warum wollte der Herzog …“
Carlton schaute Louison fest an und murmelte etwas Unverständliches.
„Was reden Sie da? Steigen Sie sofort aus dem Bett! Und ziehen Sie sich was an! Das hier ist wirklich peinlich …“
Endlich stieg Carlton aus dem Bett und zog sich an. Auch Louison sprang hastig aus dem Bett.
Irgendwie fühlte es sich falsch an, einfach weiter im Bett zu bleiben.
Louison setzte sich kerzengerade an den Tisch. Kurz darauf setzte sich Carlton ihm gegenüber.
Als er sah, dass Carlton sich sowohl Ober- als auch Unterteil ordentlich angezogen hatte, war er beruhigt.
„Was führt dich hierher?“, fragte Carlton.
Louison stellte seine Frage direkt, ohne Umschweife. Er hätte es eleganter formulieren können, doch die vorherige Situation hatte ihn zu sehr aus dem Konzept gebracht.
„Warum reisen Sie so schnell ab? War es nicht in zwei Tagen? Oder ist es schon morgen, da bereits ein Tag vergangen ist?“
„So ist es“, antwortete Carlton.
„Also laufen ihre Abreisevorbereitungen gut?“
„Ja.“
„Brauchen Sie noch etwas?“
„Nein.“
Was ist das denn für eine knappe Antwort?
Louison war unzufrieden: „Es gibt vieles, was Sie mitnehmen müssen. Wenn Sie so kurzfristig aufbrechen, gibt es bestimmt Probleme.“
„……Bist du nur hergekommen, um darüber zu reden? Es ist bereits entschieden.“
Carlton antwortete mit einem gereizten Gesichtsausdruck und schnitt das Thema ab, wie es seine Art war, wenn er keine Diskussion zulassen wollte. Aber Louison hatte Carlton inzwischen gut genug kennengelernt, um zu erkennen, dass dieser sich der Überstürzung bewusst war und deshalb so sprach.
„Das stimmt. Zwei Tage sind viel zu hastig. Warum sind Sie so in Eile, obwohl Sie selbst merken, das es unklug ist?“
Es muss einen Grund geben. Louison kniff die Augen zusammen und musterte den Söldner. Carlton hob leicht sein Kinn, als wolle er fragen: „Was ist?“
„Haben Sie die Geschichte der Gesandten aus Vinard überprüft?“
„Nein.“
„Wie wäre es, wenn Sie zur Sicherheit erst einmal Kundschafter schicken? Sie wissen nicht, welche Gefahren vor Ihnen liegen.“
„Dafür habe ich keine Zeit.“
„Was würde passieren, wenn Sie angegriffen würden? Es könnten seltsame Dinge passieren, wie das, was den Männern von Vinard passiert ist.“
„Wir sind auf einen Angriff vorbereitet.“
Obwohl Louison sich Sorgen machte und nur helfen wollte, ließ Carlton seine Worte nicht an sich heran.
„Wenn es ein Problem gibt, kann ich es lösen. Wenn uns jemand angreift, zerstören wir ihn. Das haben wir bisher immer getan. Nichts kann meinen Weg blockieren.“
Carlton äußerte absolutes Vertrauen in seine Fähigkeit, Probleme selbst in die Hand zu nehmen. Seine Stärke war überwältigend genug, dass nichts anderes damit vergleichbar war.
Seine Führung war herausragend, sein Verstand schnell und er hatte einen jugendlichen Geist der Entschlossenheit, bereit, jedes Hindernis aus dem Weg zu räumen.
Sein Hochmut war verständlich, da er allein durch seine eigenen Fähigkeiten an diese Position gelangt war. Aber Louison, der bereits seine spätere Niederlage erlebt hatte, war nervös.
War Carltons Situation nun im Vergleich zu vor seiner Rückkehr besser?
Louison war in Gedanken versunken.
Der Söldner hatte nichts Extremes getan und sein Verhältnis zu Louison war gut. Die Macht, die der Süden hätte verlieren können, blieb erhalten und es wurden beträchtliche Beutestücke gemacht. Aber das sicherte seine Zukunft nicht. Es gab immer noch Adlige, die Carlton als Schandfleck betrachteten, solange er das Vertrauen des ersten Prinzen behielt.
Während dieser Zeit war Louison damit beschäftigt gewesen, von Freunden und Verwandten gleichermaßen vertrieben zu werden. Sein ganzer Körper hatte vor Verrat gezittert und er schwor zum ersten Mal in seinem Leben Rache, völlig von Sinnen. Später hatte er gehört, dass Carlton in den Nordwesten geschickt worden war, um Monster auszurotten, und an den Rand des Landes gedrängt worden war.
Bei diesen Gedanken wurde Louison klar, warum Carlton es so eilig hatte.
„Ich sehe, Sie versuchen, so schnell wie möglich an die Seite des ersten Prinzen zurückzukehren. Ist in der Hauptstadt etwas passiert? Schickt man sie woanders hin, um zu kämpfen?“
„Wo hast du das gehört?“
„Nirgends, ich habe nur geraten.“ Seine Vermutungen basierten auf Erinnerungen aus der Vergangenheit, aber er konnte es nur vage erklären, weil er nicht die Wahrheit sagen konnte.
„Der Scharfsinn des Herzogs überrascht mich immer wieder.“ Carlton wirkte plötzlich niedergeschlagen.
Wer macht sich jetzt Sorgen um wen?, dachte der Söldner.
Es kam ihm dumm vor, Ennis Rat zu ignorieren, sich nicht in den Kampf der südlichen Aristokratie einzumischen und Louison zu sagen, dass die Situation im Süden verdächtig sei, insbesondere im Hinblick auf die Geschehnisse in der Hauptstadt.
Er hatte Angst, Louison hier zurückzulassen, wo er keinen einzigen Verbündeten hatte. Er hatte überlegt, den Herzog zu bitten, ihn in die Hauptstadt zu begleiten. Als er Louisons unbeholfene Gestalt und seine Leichtgläubigkeit sah, wurde ihm das Herz schwer, also vermied er es absichtlich, ihn zu sehen. Doch all diese Mühe war vergebens.
Egal, was passierte, er war immer noch ein kluger, reicher Großherr.
Im Moment mochte seine Lage düster erscheinen, aber seine Zukunft sah rosig aus.
Louison war ganz anders als er – ein kleines Licht in einem stürmischen Feld.
Aufgrund der außergewöhnlichen Umstände des Bürgerkriegs hatte Carlton für eine sehr kurze Zeit die Oberhand über Louison. Aber er und Louison stammten aus zwei völlig unterschiedlichen Welten. Bedeutete das, dass Louison sicher war, egal, wie viele Fehler er machte, und dass der Söldner in einer unsicheren Lage sein würde, egal, wie oft er gewinnen würde?
Könnten sie sich in der Hauptstadt wiedersehen? Er war nicht zuversichtlich, dass er durchhalten und in der Gunst bleiben könnte, bis Louison eintraf.
Ein lange gehegtes Gefühl der Minderwertigkeit regte sich und brannte in Carltons Magen.
In ein oder zwei Tagen würde sich nicht viel ändern.
Louisons Haltung basierte auf seinen Erinnerungen vor der Rückkehr, aber Carlton schien sie nicht ganz so einfach zu verstehen. Carlton war nervös, weil er nicht wusste, wie sich die Meinung des Prinzen mit jeder Minute – jeder Sekunde – ändern würde, ganz zu schweigen von ein oder zwei Tagen.
„Das ist nichts, worüber sich der Herzog Gedanken machen sollte“, sagte Carlton eisig und glättete seine Miene. Sein scharfer, spitzer und etwas aggressiver Ton bohrte sich in Louisons Ohren. „Hast du es vergessen? Ich bin hier, um das Herzogtum zu besetzen. Solltest du nicht eher dankbar für meine schnelle Abreise sein?“
„Das stimmt, aber…“
„Wenn du fertig mit Reden bist, solltest du gehen.“
Mit einem trockenen Segensspruch verließ Louison niedergeschlagen den Raum.
Ohne Rücksicht darauf, ob ihn andere sahen oder nicht, stapfte Louison mit besorgten Schritten davon. Carltons Männer und mehrere patrouillierende Bedienstete stellten ihn zur Rede und fragten, warum er in Carltons Gemächer gewesen sei, aber Louison gab nur halbherzige Antworten.
Waren sie sich nicht schon zu nahe gekommen, um sich so feindselig zu trennen?
Einerseits war er zutiefst traurig über Carltons Bemerkungen, die eine Grenze zwischen ihnen zog.
Andererseits verstand er seine tiefe Besorgnis über seine beunruhigende und prekäre Situation.
Louison verstand, warum Carltons Herz so belastet schien, seit er angekündigt hatte, dass er bald gehen würde.
Er ist nervös …
Dasselbe galt für Louison, dessen Zukunft nun ungewiss war.
Louison war wirklich der Meinung, dass er nach der Rückkehr gut zurechtgekommen war. Sowohl das Herzogtum als auch seine Bürger waren in Sicherheit und er wurde von seinen Gefolgsleuten anerkannt. Auch sein Ruf im Süden hatte sich verbessert.
Der Herzog hatte sich sowohl innerhalb als auch außerhalb der Burg hervorgetan, sodass das Risiko, alles sinnlos zu verlieren, wie es vor der Rückkehr geschehen war, verschwunden war. Er ging davon aus, dass selbst der erste Prinz ihm nicht viel anhaben konnte, wenn er die Würde eines Herzogs bewahrte.
Alles war gut gegangen, doch Louison hatte immer noch zwiespältige Gefühle.
Er hatte es bisher gut gemacht. Er hatte viele Dinge verändert.
Doch genau darin bestand das Problem. Mit dem Wissen über die Zukunft konnte er die Krise, die vor ihm lag, gut bewältigen.
In der Zukunft jedoch würde Louison die unbekannte Zukunft Schritt für Schritt angehen. Es würde unbekannte Krisen geben. Es würde eine Zeit kommen, in der ihm sein Wissen über die Zukunft nicht mehr helfen würde. Was sollte er dann tun?
Louison hatte ein optimistisches Temperament, war jedoch hinsichtlich seiner eigenen Fähigkeiten unendlich pessimistisch.
Was ist, wenn ich wieder die falsche Entscheidung treffe?
Während seiner Reisen ins Dorf und zurück wurde Louison bewusst, wie einflussreich er war. Das Leben vieler Menschen wurde von seinen Taten bestimmt. Ein unbedachtes Urteil konnte das Leben zerstören, das sich die einfachen Bürger mühsam und aufrichtig aufgebaut hatten.
oh man beide machen sich sorgen um den anderen aber jeder zeigt es anders. mir tun die beiden so leid jeder hat etwas gefunden doch jetzt werden sie auseinander gerissen in eine ungewisse zukunft. das finde ich schade . aber komisch ist es schon als er da ein weiteres bein spürt.man merkt das er noch unberührt ist. was woll jetz noch passiert.
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