Louison war schon vor dem Bürgerkrieg ein eigensinniger Narr gewesen. Er vernachlässigte seine herrschaftlichen Pflichten und vergeudete seine Jugend mit Spielen, Essen und Trinken in der Hauptstadt. Er war träge, apathisch und verspottete die Welt. Obwohl er nach der Begegnung mit dem Heiligen seine vielen Fehler bereut hatte, war er immer noch eine gefallene Seele, welche die Hölle mit offenen Armen empfangen würde.
Vielleicht… hat mir der einarmige Pilger, mein Heiliger, geholfen?
Ein starkes Gefühl überkam Louisons Herz. Ja, so ein hingebungsvoller und barmherziger Mann könnte definitiv diese Gelegenheit für dieses bedauernswerte Leben geschaffen haben. Oder hatte der Heilige ihn in der Vergangenheit irgendwie in den großen Plan mit einbezogen? Wie auch immer, alles verdankte er seiner Gnade.
„Herzog, Herzog. Wir müssen uns beeilen, es wird keine weitere Gelegenheit geben.“
„Warte einen Moment.“ In einem Gebet wollte er dem Heiligen seinen letzten Dank aussprechen.
Ruger gab Louison jedoch keine Gelegenheit zum Beten.
„Dies ist nicht die Zeit, sich auszuruhen. Mein Herr weiß genau, wie bösartig der Metzger sein kann. Er hat einen Mann getötet, indem er alle vier Gliedmaßen an Pferde band und ihn in Stücke reißen ließ. Der verbleibende Rumpf wurde angespuckt und beschimpft. Er ist ein grausamer und niederträchtiger Mann. Ich habe gehört, er verachtet Adlige. Wenn er dich erwischt, wirst du keinen sanften Tod erleiden. Er kommt mit voller tyrannischer Macht hierher. Ich weiß nicht, was er dir antun wird, mein Herr!“
Ruger zitterte: „Jetzt oder nie. Wir werden verlieren – wir werden auf jeden Fall verlieren, egal was passiert.“
„Also willst du, dass wir unsere Ländereien verlassen und fliehen? Mitten im Kampf?“
„Was ist daran falsch? Diese Männer kämpfen alle, um dich zu beschützen. Es hat keinen Sinn, wenn du stirbst.“
„…“
Louison unterdrückte einen Seufzer. Sein früheres Ich hatte Ruger zugestimmt – und war dann weggelaufen. Damals hatte er geglaubt, dass Flucht seine einzige Überlebenschance sei. Er konnte sich das Leben, das er danach führen würde, nicht einmal vorstellen. Er war einfach nur erleichtert, am Leben zu sein. So sorglos wie er vorher gelebt hatte, war er vage zuversichtlich, dass sich alles irgendwie regeln würde...
So dumm und leichtgläubig!!!
„Das reicht“, sagte Louison.
„Bitte?“
„Ich habe nicht die Absicht wegzulaufen. Wenn du gehen willst, dann mach was du willst. Ich werde dir keine Vorwürfe machen.“
„Was sagst du?!"
„Ich werde nicht weglaufen.“
Für die Toten und für Louisons eigenes Leben war dies die richtige Entscheidung. Er konnte das, was er durchgemacht hatte, nicht noch einmal durchmachen.
Ich sterbe lieber als Adliger.
Wie könnte er sein neues Leben vergeuden? Er hatte wie ein Adliger gelebt. Er würde sich offiziell ergeben.
Auf diese Weise würden alle überleben.
Die militärische Stärke des Herzogtums war unzureichend, aber es hielt sich vorerst gut. Vielleicht war das der Grund, warum er in der Vergangenheit glaubte, er könnte seinem Gegner standhalten. Aber Carlton zog absichtlich die Zeit in die Länge.
Als er merkte, dass Louison geflohen war, nahm er die Burg in weniger als einem halben Tag ein.
Also, warum spielte er absichtlich auf Zeit?
Carlton war aggressiv – seine Hände verbreiteten Grausamkeit – und er zog sich im Kampf nie zurück. Seine Lieblingsbeschäftigung war es, hochnäsige Adlige niederzumachen, zu demütigen und zu unterwerfen. Je größer das Ego der Adligen, desto erbärmlicher wurden sie am Ende. Louison wäre seine Lieblingsbeute gewesen.
Er hatte es genossen, adlige Burgen zu besetzen, jahrhundertealte Traditionen und Ehre zu zertrampeln. Demnach könnte man annehmen, dass der erste Prinz einen Grund hatte, Carlton zögern zu lassen.
So hat es der Heilige erklärt.
Louison vertraute auf das umfassende Wissen und den Scharfsinn des Heiligen.
Das Herzogtum Anness war eine der vier großen Adelsfamilien. Sie besaßen eine Macht, die mit der Autorität eines Königs vergleichbar war. Obwohl der erste Prinz ein zentralisiertes Regierungssystem für ideal hielt, fehlte ihm die Legitimität, um es durchzusetzen. Er hatte seit seiner Jugend einen Minderwertigkeitskomplex, da wenige Adlige ihn im Vergleich zu seinem jüngeren Bruder unterstützten.
Nach dem Sieg im Bürgerkrieg versuchte er, diese Schwächen auszugleichen, indem er die Loyalität der Adligen gewann. Der Herzog von Anness war jemand, der das Recht hatte, einen König zu wählen. Obwohl der erste Prinz den Krieg gewonnen hatte, hatte die Loyalität der großen Herren eine tiefe Bedeutung.
Der Heilige hatte vorausgesagt, dass Louisons Lebensader von seiner Loyalität zu Prinz Ellion abhing.
„Besser wäre es gewesen, du hättest dich ihm ergeben. Es ist am besten, vor der Besetzung zu kapitulieren.“
Durchzuhalten, bis er zusammenbrach, wäre gegen den Willen des ersten Prinzen. Ein Herzog von Anness, der nicht bis zum bitteren Ende gehorchte, wäre eine Narbe auf der Legitimität des Prinzen. Prinz Ellion würde eine solche Schande nicht dulden. An diesem Punkt würde die Kraft von Carltons grausamer Lust entfesselt werden und es würde keine Möglichkeit mehr geben, zu erfahren, was mit dem Herzog geschehen würde.
Louison wusste von all dem bisher nichts. Er war einfach nur entsetzt, als er von der Hinrichtung des zweiten Prinzen gehört hatte. Er dachte nur, dass der erste Prinz versuchen würde, ihn ebenfalls zu ermorden, also bestand er darauf, gegen ihn zu kämpfen.
Und am Ende hatte er alles verloren.
Louison biss sich auf die Lippen und öffnete die Tür zum Konferenzraum. In dem Raum, der als Basis für militärstrategische Operationen diente, herrschte eine angespannte Atmosphäre. Der General, der Schatzmeister sowie andere Beamte und der Butler standen vor einem Tisch, der mit taktischen Karten beladen war. Da die Schlacht im vollen Gange war, waren der Ritterkommandant und seine Ritter nicht anwesend.
Als Louison erschien, richteten sich alle Augen im Konferenzraum auf ihn und sahen ihn mit verwirrten und überraschten Blicken an.
Der Schatzmeister begrüßte ihn herzlich und fragte:„Mein Herr, aus welchem Grund sind Sie an diesen bescheidenen Ort gekommen? Brauchen Sie noch etwas?“
Obwohl der Mann im Laufe der Jahre ordentlich an Gewicht zugelegt hatte und einen freundlichen Gesichtsausdruck besaß, zeugten seine Worte von innerer Härte. Es wäre für einen Lord üblich gewesen, bei Treffen, die die Ländereien betrafen, anwesend zu sein. Louisons Erscheinen schockierte ihn jedoch. Er hatte innerlich gespottet, als er hörte, dass Louison sich in seinem Räumlichkeiten eingeschlossen hatte.
Früher hätte Louison den Sarkasmus des Schatzmeisters nicht bemerkt, aber sein Leben als Bettler hatte ihm eine gewisse Vernunft verliehen. Er wurde rot vor Verlegenheit.
„Ich bin Euer Herr. Achtet auf Eure Worte.“
Der Butler stand auf Louisons Seite, doch Louison konnte es nicht ertragen, ihn zu sehen. Vor der Regression soll Carlton den Butler gefoltert haben, um Informationen über Louisons Aufenthaltsort zu erhalten. Er verriet bis zum Ende nichts und wurde schließlich mit abgerissenen Gliedmaßen in einer Gosse zurückgelassen.
„Was ist los? Wir besprechen gerade etwas sehr Wichtiges“, sagte der General. Angesichts seines strengen Blickes zitterten Louisons Schultern leicht.
Der General war immer hart zu ihm gewesen. Im Auftrag seiner Eltern, die gestorben waren, als Louison noch klein war, wurde der General sein Ziehvater und sein Bevollmächtigter in den Angelegenheiten des Anwesens. Er war ein sehr kompetenter aber strenger Lehrer und wurde ihm somit ein Dorn im Auge. Als das Schloss besetzt war, beging er Selbstmord. Carlton enthauptete die Leiche und hängte sie über die Mauer. Als Louison versucht hatte, zum Anwesen zurückzukehren, hatte er den verfaulten und verwesten Kopf des Generals gesehen.
Dasselbe galt für die anderen Beamten. Alle Leute, die im Schloss des Herzogs arbeiteten, wurden enthauptet und über die Mauer gehängt. Das war Carltons Rache.
Louison spielte nervös mit seinen Daumennägeln. Das gruselige Aussehen und der Gestank ihrer Leichen waren ihm noch immer lebhaft im Gedächtnis. Angst und Nervosität erfüllten ihn bis zum Hals. Es war schwerer, als er gedacht hatte, die Toten wieder lebendig herumlaufen zu sehen.
Aber er konnte nicht zurückweichen.
Denk daran, wie sehr du diesen Tag bereut hast, Louison Anness.
Bitte, Heiliger, gib mir Mut.
Louison malte mit der Hand ein kleines Kreuz auf die Stelle, wo sein Herz saß. Sein Herzschlag flackerte wie ein schwaches Lampenlicht. Er wappnete sich und sagte: „Wir müssen uns ergeben.“
Das Gesicht des Generals verzerrte sich vor Enttäuschung über seine Worte. Dasselbe galt für den Schatzmeister und die anderen.
„Warum sagt Ihr das jetzt, mein Herr? Ihr habt es vielleicht vergessen, da Ihr Euch in Euren Räumlichkeiten eingeschlossen habt, aber wir befinden uns gerade mitten im Kampf.“
„Arghhhhhh!“
Genau in diesem Moment schrie ein Soldat von draußen auf. Jeder im Raum wusste sofort, dass der Soldat jetzt tot war, und die Luft wurde schwerer.
„…Ich weiß“, sagte Louison.
„Dann wisst Ihr auch, wie lächerlich Eure Worte sind.“
„Ich weiß. Aber wir müssen uns trotzdem ergeben. Wir sind Carltons Macht nicht gewachsen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir besetzt werden.“
„Unsere Soldaten halten immer noch gut durch.“
„Wie lange können sie das noch?“
„Die Verstärkung wird bald eintreffen. Anness Vasallen werden uns zu Hilfe kommen.“
„Es kommt keine Verstärkung. Sie haben uns bereits im Stich gelassen.“
Beim letzten Mal kam keine der Verstärkungen. Alle Vasallen des Herzogs hatten ihnen den Rücken gekehrt. Louison hatte dies in der Zukunft der ersten Zeitlinie am eigenen Leib erfahren, aber die Beamten protestierten alle heftig.
„Bevor es ein Königreich gab, war das Herzogtum Anness der Herrscher dieses Gebiets. Die Vasallen würden uns niemals im Stich lassen und sich der königlichen Familie anschließen. Sie sind unsere Untertanen und wir sind ihr einziger Lehnsherr. Haben wir Euch nicht immer gelehrt, nicht zu vergessen, welche Bedeutung Ihr für den Süden habt?“
Der General pflichtete den anderen Beamten bei: „Das stimmt. Die Loyalität des südlichen Gebiets unterscheidet sich von der Loyalität der gierigen Adligen in der Hauptstadt.“
„Mein Herr, Sie wissen möglicherweise nichts darüber, da Sie die ganze Zeit in der Hauptstadt verbracht haben“, fügte ein anderer Beamter hinzu.
„Nein, … die Zeiten haben sich geändert.“
Schon vor Ausbruch des Bürgerkriegs hatten beide Prinzen ihre Fraktionen gebildet. Der erste Prinz zog kleine und mittlere Lords auf seine Seite. Er lockte sie mit dem Versprechen, alte Verträge zu brechen und ein neues System einzuführen. Die Vasallen sahen den Herzog von Anness dann nicht mehr als Lord, den es zu beschützen galt, sondern als fette Beute, die sie verschlingen konnten.
Als hätten sie nur darauf gewartet, dass das Herzogtum zerfällt, kämpften die Vasallen nicht mit ganzem Herzen um die Verteidigung ihrer eigenen Grafschaften.
Meine Worte würden sie sowieso nie überzeugen.
Die Berater des Herzogs waren kompetent, aber sie waren ungemein stolz auf ihre herzogliche Geschichte und recht konservativ.
„Denkt sorgfältig darüber nach“, sagte Louison, „Wenn sie uns wirklich helfen wollten, hätten sie Soldaten geschickt, noch bevor Carlton sein Schwert gezogen hätte. Hat uns irgendeine Familie ihre Hilfstruppen geschickt?“
Der Schatzmeister war leicht beunruhigt. Louisons Worte waren nicht ohne Sinn.
jetzt geht es an das eingemachte kann er sie überzeugen das sie sich ergeben oder wollen sie einfach weiter machen und das es eintrifft was er weiss von seinem vorherigen leben. er gibt ihnenen ein paar gute fragen über das sie nachdenken können.
AntwortenLöschenWow, dass Carlton so dermaßen grausam war, hätte ich nicht gedacht. Jetzt verstehe ich auch die Titel "Metzger", "Die Geißel der Adligen" "dritten Titel vergessen".
AntwortenLöschenJetzt verstehe ich Louisons Rolle und macht auch um einiges besser und wieso er so wichtig für den Prinzen war.
Der Einblick in Carltons Wesen war auch sehr hilfreich, ich glaube, wenn er es liebt, Adlige zu tyrannisieren, wird er es lieben, Louison zu schikanieren. Wenn es auch mit der Zeit bestimmt sanfter und liebevoller wird.
Danke für das Übersetzen Piratensemmel und danke für das Korrekturlesen EiriBelle. Dank euch beiden kann ich die Geschichte besser verstehen und mich noch mehr in sie verlieben.