*Knall*
*Knall*
*Ahhhh!*
*Absturz*
Ohrenbetäubendes Dröhnen und Kreischen, als würde ein riesiger Berg einstürzen, brachte Louison wieder zu Bewusstsein.
„Mein Herr, mein Herr. Bitte beeilen Sie sich und wachen Sie auf. Die Schlacht hat begonnen.“
„Ughh…“
„Lass mich in Ruhe. Ich bin gerade gestorben, weißt du?“
Louison bedeckte seinen Kopf und stieß die Hand weg, die ihn wecken wollte. Sein Kopf fühlte sich an, als wäre er zerschmettert und Übelkeit überkam ihn. Von irgendwoher drang ein schrecklicher Alkoholgestank zu ihm herüber.
Was ist das für ein Alkoholgeruch?
Nach dem Bürgerkrieg konnte Louison keinen einzigen Tropfen Alkohol mehr trinken. Es wurde ein Alkoholverbot verhängt, während die Hungersnot das Land weiterhin verwüstete. Der Alkoholpreis stieg ins Unermessliche. Für einen Vagabunden wie Louison, der kaum sein tägliches Brot fand, war der Geruch von Alkohol, ganz zu schweigen vom Geschmack, ein Wunschtraum.
Aber warum litt er dann unter einem schlimmen Kater?
Er drehte seinen benebelten, erhitzten Kopf. Langsam, Stück für Stück, kamen die Erinnerungen zurück.
Es war offensichtlich, dass Louison in jener winterlichen Nacht, drei Jahre nachdem er aus dem Schloss geflohen war, hätte sterben sollen. Doch ein vorbeikommender Mann rettete ihn auf wundersame Weise.
Es war ein Mann auf einer religiösen Pilgerreise. Weil ihm ein Arm fehlte, nannte man ihn den einarmigen Pilger. Er trug immer die Kapuze eines Mönchs, sodass man sein Gesicht nicht sehen konnte. Der Mann war äußerst misstrauisch, kümmerte sich aber von ganzem Herzen um Louison.
Er überließ ihm sein Bett, heizte das Zimmer mit kostbarem Brennholz und war sogar bereit, Medikamente und Nahrung zu teilen. Obwohl es ihm nicht gut ging, pflegte er Louison hingebungsvoll. Dank ihm starb Louison in diesem Winter nicht, sondern erlangte stattdessen etwas Lebensenergie zurück.
Louison empfand tiefe Dankbarkeit gegenüber dem namenlosen einarmigen Pilger. Dass es einen so barmherzigen und weisen Menschen auf dieser Welt gab … Er begann den Pilger einen Heiligen zu nennen und folgte seinen Lehren.
Indem er ihm folgte, lernte Louison viel über die Welt und erkannte seine eigene Dummheit. Die Geschichten, die der einarmige Pilger erzählte, halfen Louison, eine scharfsichtige Wahrnehmung zu entwickeln. Er half ihm, die Welt mit klaren Augen zu sehen, frei von Sünde und Senilität. Louison konnte Reue empfinden und entschuldigte sich aufrichtig bei den Toten.
Nach der Begegnung mit dem einarmigen Pilger verspürte er keinen schrecklichen Hunger mehr und schlief eingehüllt in Decken und umgeben von Wänden, doch sein Körper war bereits von der Straße gebrochen worden. Im darauffolgenden Winter, ein Jahr später, hatte Louison seinen letzten Atemzug getan.
Ich dachte, ich wäre in einer alten Hütte …
Es war eine endlos unruhige und schreckliche Nacht gewesen. Da es tief im Winter gewesen war, hatte das Toben des Schneesturms die Fenster klirren lassen, als ob sie zerspringen wollten. Der Pilger hatte den Ofen voller Brennholz gestopft, da er wusste, dass es Louisons letzte Nacht sein würde.
Jedes Mal, wenn ein seltsames Geräusch ertönte, hatte sich auch Louisons Herz erschrocken.
Der Tod war so beängstigend.
Er hatte Angst, die Menschen zu treffen, die seinetwegen gestorben waren. Es war schmerzhaft, auf sein Leben zurückzublicken, aber es war auch beängstigend zu denken, dass es keine weiteren Tage mehr geben würde. Ach, der Prozess, in dem die Seele den Körper verließ, war zu lang, langweilig und schrecklich. Tränen flossen unaufhörlich.
„Bruder“, sagte der einarmige Pilger, Louisons Heiliger.
Er hatte Louisons Hand ergriffen, als verstünde er seinen Herzenswunsch. Louison hatte seine Lippen mit etwas Wein befeuchtet gehabt, den der Mann wie aus dem Nichts herbeigeschafft hatte, und seinen letzten Willen geäußert – sein letztes Geständnis.
Dann war er gestorben.
Das war der letzte Moment gewesen, an den sich Louison erinnern konnte. Da war er definitiv gestorben.
Aber warum roch er dann nach Alkohol? War er nicht gestorben? Nein? Die Erinnerung an sein Leben, die aus seinem Körper sickerte, konnte kein Traum gewesen sein.
„Bin ich in der Hölle?“
Angesichts der schrecklichen Schreie, die von allen Seiten kamen, musste dies die Hölle sein. Er hatte schreckliche Migräne und fühlte Übelkeit, als ob er seekrank wäre. Bei jedem Atemzug strömte der widerliche Alkoholgeruch aus seinem Mund. Es war fast so, als wäre es der Tag, nachdem er sich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken hatte.
Ob man in der Hölle einen Kater bekommen kann?
„Hölle? Nun, ich denke, es wäre nicht falsch, es Hölle zu nennen.“
Von oben ertönte eine schroffe Stimme.
Ist da jemand bei mir?
Louison öffnete die Augen. Der Raum war dunkel, aber es genügte, um das Gesicht der anderen Person zu erkennen. Der Mann hatte leuchtend rote Haare und ein attraktives Aussehen, aber sein zerstreuter Gesichtsausdruck ließ ihn abwesend wirken.
Es war Louisons persönlicher Diener Ruger.
„Ruger? Hä? Warum bist du hier?“
Ruger hätte in jener schicksalhaften Nacht mit Louison fliehen sollen, hatte sich aber stattdessen von Carltons Soldaten gefangen nehmen und töten lassen, um seinem Herrn die Möglichkeit zu geben, sicher zu entkommen. Es war Louisons größtes Bedauern gewesen, das er die Leiche Rugers, aus Angst gefasst zu werden, nicht hatte bergen können.
„Bitte komm zur Besinnung. Jetzt ist nicht die Zeit, sich sorglos zu betrinken.“
„Was?"
Louison schaute verwirrt um sich. Der Anblick kam ihm bekannt vor, denn das luxuriöse Zimmer, dekoriert in Grün und Gold, war sein früheres Schlafzimmer. Obwohl Louison mehr Zeit in der Hauptstadt als in seinem Gebiet verbracht hatte, konnte er das Schlafzimmer, das er sein ganzes Leben lang benutzt hatte und das seit Generationen in der Familie Anness weitergegeben wurde, nicht vergessen.
Ich kann nicht glauben, dass ich diesen Ort wiedersehe.
Dieser Raum war zusammen mit dem Schloss des Herzogtums niedergebrannt. Carlton hatte dafür gesorgt.
„Hier, trinke etwas kaltes Wasser und reiß dich zusammen.“
Ruger reichte ihm den Becher. Louison nahm ihn geistesabwesend entgegen und trank das Wasser in einem Zug. Vielleicht, weil er in der Hölle angekommen war, oder weil er das Schloss sah, welches er durch eigene Fehler verloren hatte, kamen ihm die Tränen.
Die Eiseskälte des Wassers machte ihn schwindelig.
Ist das nicht seltsam?
Louison kniff sich in die Wangen. Ein lebhafter Schmerz breitete sich aus.
Bin ich etwa am Leben und nicht tot?
Tote können keinen Schmerz empfinden. Was also war das für ein schrecklicher Lärm, der von draußen durch das Fenster herein drang? Er rannte eilig zum Fenster und riss es auf.
„AHHHHHHH!“
„Haltet sie auf! Gebt nicht nach!“
„Rettet mich!"
Vom Schlafzimmer des Herzogs aus hatte man einen Blick auf das gesamte Geschehen. Direkt vor den Burgmauern war die Schlacht in vollem Gange. Trotz der vorteilhaften Lage aufgrund der Verteidigungsanlagen des Schlosses wurden die Schlachtlinien immer weiter zurückgedrängt. Louisons Soldaten waren naiv und ohne angemessene Ausbildung, während die feindlichen Soldaten, welche die Mauern erklommen, allesamt Elitesoldaten waren. Als ob sie ihren unvermeidlichen Sieg vorhersagen wollten, wehte majestätisch eine blaue Flagge über den Mauern. Der blaue Löwe war ein Symbol der königlichen Familie.
Eine blaue Löwenflagge …
Die Flagge mit dem blauen Löwen. Alte Erinnerungen, so lebendig, als wären sie erst gestern passiert, kamen hoch, als er diese Flagge sah.
Prinz Ellion hatte alle, die zu dem zweiten Prinzen gehalten hatten, zu Verrätern erklärt. Als Warnung an alle Adligen, die ihn nicht unterstützt hatten, sandte er Soldaten in das Herzogtum Anness, um ein Exempel zu statuieren.
Carlton, das Schwert des ersten Prinzen, auch genannt der Schlächter, der edle Henker und bezeichnet mit anderen schrecklichen Spitznamen, hatte die Armee in das Gebiet des Herzogs geführt.
Carlton hatte ihm empfohlen, sich der Herrschaft der königlichen Familie zu ergeben. Obwohl sie dem Namen nach Vasallen der königlichen Familie waren, hatte der Herzog von Anness lange Zeit den Süden als Herrscher regiert. Der Herzog, der diese königliche Familie insgeheim verachtete, konnte es nicht akzeptieren, sich ihrer Macht zu beugen. Die Burg schloss ihre Tore und entschied sich für den Kampf. Er hatte geglaubt, dass die anderen Lords, sowie seine Vasallen als Verstärkung kommen würden, wenn sie durchhalten würden.
Nach Beginn der Schlacht dauerte es nur drei Tage, bis die Burg gefallen war.
Nur drei Tage.
„Ruger, wie viele Tage sind seit Beginn der Schlacht vergangen?“
„Was? Du erinnerst dich nicht einmal daran? Hast du außer Alkohol noch etwas anderes zu dir genommen?“
„Wie viele Tage."
„Es hat gestern angefangen … also ist heute der zweite Tag.“
Zweiter Tag! Es war dieselbe Nacht, in der Louison weggelaufen war!
Das ist… ich kann es nicht glauben.
Louison kicherte niedergeschlagen: Ich bin in der Zeit zurückgereist? Warum bin ich ausgerechnet in die Nacht zurückgekehrt, die ich am meisten bereue?
Er konnte es nicht fassen. Louison ballte die Faust und schlug gegen den Fensterrahmen.
*Schmerz*
„Aua… es tut weh…“
„Auf einen Ziegelrahmen zu schlagen tut natürlich weh! Du hast etwas Berauschendes genommen, nicht wahr? Oder nicht? Ich habe getan, was du mir befohlen hast. Sogar in diesem Kampfgetümmel, so sehr, dass meine Füße brennen... und du rauchst hier?“
„…ich sagte, ich habe nichts genommen.“ Oder habe ich das tatsächlich getan?
Louison fühlte sich, als würde er verrückt. Normalerweise genoss er so etwas während der Neujahrsfeierlichkeiten, aber angesichts der Angst vor dem Tod, hatte es vielleicht keinen Grund gegeben, es nicht zu tun.
„Vielleicht habe ich das. Ein bisschen.“
„Es ist in Ordnung. Aber jetzt ist es an der Zeit, zu fliehen, mein Herr. Da die Schlacht in vollem Gange ist, wird uns niemand Beachtung schenken.“
„Hä? Was?“, fragte Louison verständnislos.
Er fühlte sich, als würde er träumen. Hatte er nach dem Trinken vielleicht einen seltsamen Traum gehabt? Dieser Louison Anness konnte doch kein Bettler geworden sein …
„Mein Herr, wir müssen los. Ich habe die Pferde und das Geld vorbereitet.“
Hm. Das kann kein Traum gewesen sein. Es war wirklich passiert. Louison gab plötzlich einen verzweifelten Laut von sich.
Zurück in die Vergangenheit … ich habe solche Geschichten gelesen, aber …
Es war einmal vor langer, langer Zeit ein Mann. Er zog durch die Welt und half vielen Menschen. Alle priesen ihn als Heiligen, aber er konnte nicht glücklich sein. Das lag daran, dass er in der Vergangenheit eine große Sünde begangen hatte. Selbst als er mit guten Taten büßte, fühlte er Kummer. Eines Tages äußerte er einen Wunsch an Gott. Er wollte seine Lieben wiederbeleben ... Gott, der Mitleid mit dem Heiligen hatte, erfüllte ihm seinen Wunsch. Er schickte den Heiligen zurück in die Vergangenheit, damit er sie selbst retten konnte.
Diese Legende war allen Bürgern des Königreichs bekannt – eine Fiktion, die Moral lehren und Glauben wecken sollte. Doch für Louison war diese Geschichte zur Realität geworden, auch wenn er kein Heiliger war.
Warum ich?
Er war ein Sünder. Er hatte eine falsche Entscheidung getroffen gehabt, die viele Menschen in den Tod getrieben und eine der Ursachen für eine Hungersnot gewesen war. Wie viele Menschen waren wegen dieser einen Person gestorben? Wie konnte ihm die gleiche Chance gegeben werden wie einem Heiligen?
er ist gestorben und hat eine zweite change bekommen um etwas zu ändern was er so lange bereut hat. mal sehen was er macchen wird.
AntwortenLöschen
AntwortenLöschenLouison ist schon gestorben und wiedergeboren worden, wow, das ging aber schell.
Der Heilige ist ja wirklich ein Heiliger. Er kümmert sich so lieb um Louison. Wer das wohl ist, … obwohl durch den Mahnwa habe ich schon eine Vermutung. XD
Louison ist also nicht alleine gestorben, wie schön. Wenn man Sterben als schön betrachten kann. Und der Heilige kümmert sich immer noch so gut um ihn, auch in seinen letzten Momenten. Dass er den Wink mit dem Wein verstanden hat, ich denke mir wenn der Heilige ein Jahr permanent Louison verbracht hat, dann versteht man sich irgendwann blind.
Ruger ist also für Louison gestorben. Ich frage mich, wie er gestorben ist?
Danke für eure Arbeit Piratensemmel und EiriBelle.