Kapitel 29


Louison war auf der Suche nach einer giftigen Pflanze, die als 'vergrabene alte Hexe' bekannt war.

Die 'vergrabene alte Hexe' war anscheinend ein gewöhnliches Unkraut, abgesehen von ihren Wurzeln, die wie dämonische Geister aussahen, ähnlich den legendären Mandragoras. Die faustgroßen Wurzeln waren tief runzelig, wie das Gesicht einer bösen alten Hexe, und die Leute hatten ihr daher diesen Namen gegeben. Normalerweise wurde diese Pflanze nicht gegessen, da sie schweren Durchfall und Magenschmerzen verursachte.

In den ärmeren Vierteln fütterten die Menschen Pferde und Schweine mit dieser Pflanze, doch im reichen und wohlhabenden Süden kaute nicht einmal das ärmste Vieh darauf herum.

Obwohl sie zunächst als Gift eingestuft worden war, würde sich die Wurzel in den folgenden Jahren zu einer unverzichtbaren Nahrungsmittelquelle entwickeln.

Nach dem Bürgerkrieg hatten die Menschen während der langen Hungersnot überall nach Essbarem gesucht. Manche hatten sogar die Rinde von den Bäumen geschält.

Andere hatten damit begonnen, die 'vergrabenen alten Hexen' von den Schweinen zu nehmen und sie zu rösten, mit dem Wunsch, mit vollem Bauch zu sterben. Doch nach einer Kostprobe hatte ihnen die 'vergrabene alte Hexe' viel besser geschmeckt als zuvor gedacht. Die Leute hatten sich satt gefühlt und waren auch nicht daran gestorben! Sie hatten auch keinen Durchfall oder Bauchschmerzen bekommen.

Als sich die Gerüchte weit verbreitet hatten, hatten die Leute nach einigen Nachforschungen herausgefunden, dass das von der Pflanze erzeugte Gift durch Licht verursacht wurde. Wenn sie die 'alte Hexe' gleich nach dem Ausgraben aus dem Boden schälten und kochten, war sie unbedenklich zu essen!

Die 'vergrabene alte Hexe' wuchs an verschiedenen Stellen gut und konnte in weitaus größeren Mengen geerntet werden als Weizen und andere Feldfrüchte. Außerdem war weniger Arbeitskraft nötig.

Für ein hungerndes Königreich war 'die Hexe' eine einzigartige positive Nachricht. Im ganzen Land waren daher die Menschen ermutigt worden, die 'alten Hexen' anzubauen und zu essen. Der König selbst hatte die richtigen Zubereitungsmethoden gezeigt.

Nach solchen Bemühungen war die 'vergrabene alte Hexe' zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Lebens der einfachen Leute geworden.

Wie bitte? Man nannte es die 'vergrabene alte Hexe'? Die Speise des Teufels? Man sollte es eher respektvoll die 'vergrabene Alte' nennen!

Später begannen die Menschen, die Pflanze zu verehren und sie ihren kostbaren Holunder zu nennen.

Auch Louison schätzte diese Pflanze sehr.

Besonders wenn er auf dem Feld geholfen hatte, hatte ihm eine alte Frau eine gehäufte Schüssel mit gut gekochtem 'alten Weiberfleisch' serviert. Der köstliche Geschmack hatte einen dazu bringen können, jede harte Arbeit zu ertragen.

Louison wühlte im Gras herum und erinnerte sich an die seltenen liebevollen Gefühle der Vergangenheit. Da er diese Pflanze oft ausgegraben hatte, konnte er sie leicht erkennen.

Ich hab sie!“ Louison grub mit einer Schaufel unter dem Stängel der Pflanze und hob sie vorsichtig an. Dann kamen aus der Erde die scheußlichen Wurzeln hervor, die ein Hexengesicht trugen.

Allein der Anblick machte Louison Appetit. Wie konnte etwas, das so schrecklich aussah, so lecker schmecken? Seltsamerweise war die Wurzel umso schmackhafter, je hässlicher sie war. Als Louison an die einzigartige Süße des leicht trockenen und weichen Fleisches dachte, lachte er laut los.

Diese 'alten Hexen' könnten in Zukunft einen großen Beitrag zur Verteilung der Lebensmittel an die Dorfbewohner leisten. Es gab nichts Besseres, um den Mangel an Nahrungsmitteln auszugleichen.

Eigentlich wollte er nur ein paar Wurzeln ausgraben, um sie dem General zu zeigen, aber Louison änderte seine Meinung bald, als er all die 'alten Hexen' in der Erde sah. Es war gerade die richtige Zeit für einen Mitternachtshappen. Sein Magen fühlte sich leer an und ihm lief das Wasser im Mund zusammen.

Ich sollte einfach noch ein paar ernten und sie rösten.

Louison sah sich um.

Gut, es ist niemand da, … obwohl ich bezweifle, dass mir jemand einen Mitternachtshappen missgönnen würde.

Natürlich würde ihn niemand für dieses Verhalten tadeln, aber er wollte wirklich sein Gesicht wahren.

Während Louisons Kopf voller Gedanken an Essen war, war Carlton, der im dunklen Schatten des Dickichts versteckt war, verwirrt und fassungslos.

Während Louison aus seinem Zimmer geschlichen war, hatte sich auch Carlton hin- und hergewälzt und nicht schlafen können.

Er hatte ständig daran denken müssen, wie der Herzog die Suppe verteilt und seine Bürger getröstet hatte. In seiner Erinnerung war Louison bis auf ein paar Ritter allein gewesen, umgeben von den warmen Herzen der Dorfbewohner, völlig ahnungslos gegenüber der Gefahr!

Es war eine idyllische und malerische Szene gewesen, wie man sie nur im Märchen finden konnte. Und er konnte das Bild dieses sanften Herzogs nicht aus seinem Kopf verbannen. Seltsamerweise fühlte es sich an, als hätte er Schmetterlinge im Bauch bei diesem Bild.

Nachdem Carlton nicht schlafen konnte, hatte er schließlich auch sein Zimmer verlassen. Während er durch die Nachtluft gegangen war, war ihm immer wieder Louisons Gesicht vor Augen erschienen.

Ein Adliger, der einen distanzierten und doch eleganten Ausdruck verkörperte. Ein zerbrechlicher junger Mann, dessen Gesicht die Angst eines verlassenen Kindes widerspiegelte. Ein idealer Anführer, der wusste, wie man sich um die Menschen kümmerte, und der unkonventionell seinen Körper und seine Seele für ihre Sicherheit aufs Spiel setzte.

Carlton überlegte, welche Beschreibung Louisons Wesen am nächsten kommen würde.

Aber er konnte sich beim besten Willen nicht für eine einzige Beschreibung entscheiden. Je mehr er nachdachte, desto komplizierter wurden seine Gedanken.

Louison war sehr seltsam.

Wenn er so schlau war, wie er schien, wie konnte er sich dann die Dummheit leisten, die seinem Landsitz den Krieg eingebracht hatte? Wenn er selbstsüchtig war, wie konnte er dann seinen eigenen Körper einem Söldner opfern? Wenn er ein gewissenhafter Mann war, dann wäre er auch nicht so leichtsinnig gewesen, sich selbst wegzuwerfen. Aber wenn er seinen Landsitz liebte, wie konnte man dann seine Unwissenheit erklären?

Worte, Taten, sein Verhalten in der Vergangenheit, … nichts davon passte in den aktuellen Zusammenhang.

Allein heute hatte er diesen selbstsüchtigen, heuchlerischen Aristokraten, diesen tollpatschigen und verletzlichen jungen Mann und diesen ergebenen Anführer verkörpert. Seine Persönlichkeit schwankte, als würde er von Moment zu Moment jemand anderes werden.

Carlton fragte sich, ob er noch viele weitere Persönlichkeiten in sich trug …

Warum hatte er dort gekniet … so verstört?

Carlton hätte sich nicht so viele Sorgen um den jungen Lord gemacht, wenn Louison sich bei seinem vulgären Witz nicht niedergekniet hätte, … wenn Louison nicht mit so zitternden Fingern auf ihn zugekommen wäre.

Seine Augen und die blassen, vor Nervosität geröteten Wangen waren erbärmlich schön gewesen. Er gab es nur ungern zu, aber der Gedanke an Louison, der zwischen seinen Beinen saß, ließ ihm die Hitze vom Kopf bis unter die Taille steigen.

Dann, während Carltons qualvollem Nachtspaziergang, war plötzlich Louison aus der Dunkelheit vor ihm erschienen, als wäre der Herzog seinem Geist entsprungen. Bei genauerem Hinsehen schien es, als würde Louison mit einer Schaufel irgendwohin schleichen.

Nochmal,… was hat er vor…?

Eine Mischung aus Neugier und Angst hatte Carlton den Herzog mit leisen Schritten verfolgen lassen. Schließlich hatte Louison auf einem freien Platz in der Nähe der Scheune gestanden und zu graben begonnen.

Was könnte er um diese Stunde suchen? Irgendeinen verborgenen Schatz?

Angesichts von Louisons selbstbewusster Behauptung, er würde sich sowohl um den Mangel an Nahrungsmitteln als auch um Arbeitskräfte kümmern, glaubte Carlton, er könnte zumindest ein verborgenes Geheimnis aufdecken. Der Söldner stand still da und sah zu.

Doch entgegen seiner Erwartung grub Louison nichts weiter aus als eine Wurzel, etwa faustgroß und geformt wie ein menschlicher Kopf. Das verschwommene Mondlicht erhellte die Gegend nur schwach, doch Carlton erkannte sie auf den ersten Blick. Es war die 'vergrabene alte Hexe', ein bekanntes Giftkraut.

Hehehe.“ Louisons heimtückisches Kichern hallte über das ganze Feld. Sein gieriger Gesichtsausdruck spiegelte sich im Mondlicht und schien von Wahnsinn gefärbt zu sein.

Doch damit war das seltsame Verhalten des Lords noch nicht zu Ende.

Louison sammelte trockenes Gras, entzündete ein Feuer und warf die gesäuberten Giftpflanzen in die Flammen. Er hockte sich vor das improvisierte Lagerfeuer und wälzte die 'alte Hexe' vorsichtig mit einem langen Stock darin herum. Die Szene schien eine Art Ritual zu sein.

Was ist das für ein seltsames Verhalten?

Carlton konnte in eine so seltsame, bizarre Szene nicht ohne weiteres eingreifen. Ein Lord, der mitten in der Nacht heimlich giftige Wurzeln ausgrub und dabei wie ein Verrückter lacht … Es wäre nicht überraschend gewesen, wenn sich Louison als Teufelsanbeter entpuppt hätte.

Wenn nach einiger Zeit verdächtiger schwarzer Rauch aus den Flammen aufgestiegen wäre, wäre Carlton sofort in einen Tempel geflohen, um Anzeige zu erstatten. Glücklicherweise kam jedoch nichts Mysteriöses zum Vorschein. Louison holte eine Wurzel aus dem Feuer und biss hinein, ohne auch nur die Schale abzuschälen.

Warum isst er das?!

Carlton konnte nicht länger ruhig zusehen und sprang vor den Lord.

Was hast du da gegessen?!“

Carlton packte Louison am Kinn und zwang ihn, die 'vergrabene alte Hexe' auszuspucken.

Da–mmpf. Mmpf!!“ Louisons Widerstand war so schwach und sinnlos wie die Flügel einer Libelle gegen menschliche Hände. Nachdem Carlton sich vergewissert hatte, dass der Herzog alles ausgespuckt hatte, ließ er Louisons Kiefer los. Louison starrte ihn einfach nur an.

Was ist das für ein Blödsinn?

Normalerweise würden die Leute Hunde beim Essen nicht anfassen. Warum um Himmels Willen tauchte Carlton plötzlich aus dem Nichts auf und störte sein Essen?

Will er mich wirklich so schikanieren?

Mein Herzog, es scheint, als hätte ich dir wieder einmal das Leben gerettet“, sagte Carlton.

Mich retten? Wegen Ihnen wurden vollkommen genießbare Lebensmittel verschwendet!“

Die sorgfältig geröstete 'alte Hexe' war zu Boden gespuckt worden und nicht mehr zum Verzehr geeignet. Louison runzelte die Stirn: „Was für eine Verschwendung. Ich kann sie doch jetzt nicht einfach wieder aufheben und essen, oder?“

Essen?“ Carlton war sprachlos.

Der Lord hat vorgehabt, diese giftige Wurzel als Mitternachtshappen zu essen?

In Carltons Heimatstadt wurde die 'vergrabene alte Hexe' oft als Ergänzung zum Pferdefutter verwendet. Jedes Jahr bot sich ein bizarrer Anblick: Die Köpfe 'der alten Hexen' türmten sich wie ein Berg im Stall auf. Nicht viele näherten sich der düsteren Szene, aber jedes Jahr brachen mehrere Kinder nach einer Kostprobe zusammen.

Ein Adliger von Louisons Ansehen wäre – insbesondere unter der Obhut seiner Leibärzte – nicht in Lebensgefahr gewesen, aber er hätte sehr gelitten.

Herzog, erkennst du überhaupt, was du gerade zu essen versucht hast?“



Info:



Mandragora ist der griechische Name für Alraune, welche eine giftige Heilpflanze ist, die seit der Antike verwendet wird (oder bei Harry Potter). Bildchen hier zeigt die Manhwa-Darstellung dieser 'schmackhaften' Variante 😁





1 Kommentar:

  1. da schleichen sich zweit zu später stunde raus. der eine weil etwas zu essen organisieren will und als er es sieht bekommt er auch noch hunger. der andere glaubt das er ein ritual macht aber nichts passiert ausser das luis zu essen anfängt und er im das aber nicht zulässt. aber carltons gedanken hat schon was für sich xd.

    AntwortenLöschen