Louison empfand ein leichtes Bedauern und wanderte weiter umher, konnte Carlton aber immer noch nicht finden. Der junge Herzog stapfte dann niedergeschlagen den Gang entlang.
Ehrlich, warum war es so schwierig, ihn zu finden? Ich habe gezielt an Orten nach Carlton gesucht, wo er wahrscheinlich war – an Orten, wo keine Menschen waren – aber ich konnte ihn trotzdem nicht finden.
Meidet er mich?
Mitten im Gehen hielt Louison plötzlich inne.
Obwohl die Gefolgschaft so viele Leute umfasste, war es seltsam, dass er den Söldner immer noch nicht finden konnte. Und da Carlton ihn nie suchte, wurde der Verdacht, dass der Söldner ihm aus dem Weg ging, immer deutlicher.
Hmm… Was soll ich tun…
Carlton schien wütender auf ihn zu sein, als Louison dachte. Der junge Herzog seufzte tief. Wo ist alles schiefgelaufen?, dachte er. Mit aller Kraft versuchte Louison nachzudenken, aber seine Konzentration wurde durch ein dumpfes Geräusch unterbrochen.
Was? Huscht da irgendwo eine Maus herum?
Louison sah sich genervt um. Im Gang war niemand sonst. Nur ein roter Teppich und ein mit Botons Symbol bestickter Wandteppich hingen an der Wand. Vielleicht trug die hereinbrechende Dämmerung zur Atmosphäre bei, denn der leere Gang sah besonders unheimlich aus.
Plötzlich fiel ihm ein, wie er vor ein paar Tagen in dem verlassenen Dorf von Rugers Bande angegriffen worden war.
Warum muss ich plötzlich daran denken? Und, ist es ein bisschen kalt geworden? Louison rieb sich die Arme.
„Euer Gnaden!“ Vom anderen Ende des Korridors eilten einige Dienstmädchen zu ihm.
Sie hatten ängstlich nach dem jungen Herzog gesucht, besorgt, dass er sich heimlich auf die Suche nach Carlton gemacht hatte. Sie umringten den jungen Herzog und fragten unter Tränen: „Wo seid Ihr hingegangen, ohne es uns zu sagen?“
„Wenn Euer Gnaden so allein herumläuft, werden wir von unserem Herrn gescholten. Bitte, befehligt uns ruhig, wenn Ihr etwas braucht.“
Als die Dienstmädchen ihn mit Tränen in den Augen anflehten, fühlte Louison sich ziemlich schuldig.
„Ihr habt also den Herzog gefunden?“ Die Ritter des Großen Lords des Ostens, die Louison eskortieren sollten, und Viscount Boton erschienen einer nach dem anderen. Die Dienstmädchen mussten an verschiedenen Orten nachgefragt haben, um den jungen Lord zu finden. Louison war doch einfach nur allein im Herrenhaus umhergelaufen – warum diese ganze Aufregung?
Die Aufregung hatte sich gelegt, und Louison hatte noch etwas mit Viscount Boton zu besprechen. „Gebt mir bitte einen kurzen Moment Eurer Aufmerksamkeit. Ich habe Euch etwas zu sagen.“
„Mir?“ Louisons Worte mussten den Viscount Boton überrascht haben – er riss die Augen auf. „Was ist los…? Gab es etwas Seltsames in dem Herrenhaus?“
„Hm? Nein, nein. Ich wollte Euch das nur übergeben.“ Louison reichte dem Viscount einen kleinen Beutel – genau den, den Morrison ihm zuvor gegeben hatte.
Mit besorgter Miene nahm der Viscount den Beutel entgegen und löste die Schnüre. Darin befanden sich die Plaketten der drei toten Ritter.
„Was… ist das?“, fragte Viscount Boton verwirrt.
„Das sind die Plaketten Eurer Ritter. Erkennt Ihr sie nicht?“
Die Plakette eines Ritters sah anders aus als die eines normalen Bürgers. Das Wappen der Familie Boton war auf die Oberfläche geprägt und Speere, die den Ritterstand symbolisierten, waren in Bronze eingraviert. Es war unmöglich, dass der andere das nicht erkannte.
Als Louison ihn misstrauisch anstarrte, beeilte sich der Viscount, zu erklären: „O-natürlich. Ich erkenne sie. Schließlich habe ich sie ihnen persönlich gegeben. Vielmehr meinte ich: Warum hat Euer Gnaden sie? Habt Ihr irgendeine Verbindung zu meinen Rittern?“
„Vor ein paar Tagen traf ich zufällig Eure Ritter. Sie hatten die einzige Brücke auf einem Weg besetzt und verlangten von den Vorbeigehenden einen Wegezoll.“
Bei Louisons Worten verzogen sich die Gesichter der umstehenden Ritter. Dass diese Ritter einen Raubüberfall begangen hatten, war ein Unding. Sie waren natürlich empört über das Verhalten dieser abtrünnigen Ritter, da es die Ehre des Rittertums untergrub.
Louison fuhr fort: „Wir überquerten die Brücke sicher, fanden sie aber später tot in einem verlassenen Dorf. Es war schwer, an ihnen einfach vorbeizugehen, also haben wir sie verbrannt und ihre Plaketten aufbewahrt.“
„Ich verstehe.“ Viscount Boton steckte den Beutel seelenruhig ein. Seine Reaktion war ganz anders, als Louison erwartet hatte. Die Ritter, die den Namen seiner Familie trugen, hatten schändliche Taten begangen. Diese Taten würden zwangsläufig Schande auf die Familie Boton und den Viscount selbst zurückbringen. Wenn jemand dies böswillig auffassen würde, könnte er behaupten, der Viscount selbst habe die Bürger ausgeraubt.
Selbst wenn Viscount Boton nichts mit dieser Angelegenheit zu tun hatte, war klar, dass er heftig verspottet werden würde, weil er nichts über das Verhalten seiner Ritter wusste und es nicht schaffte, ein paar Ritter zu kontrollieren.
Der junge Herzog hatte erwartet, dass der Viscount unruhig wäre, besorgt darüber, dass die Geschichte sich verbreiten könnte. Außerdem hatte er gedacht, das Fragen nach dem Hergang gestellt würden. Natürlich warf Viscount Boton ihm ziemlich oft verstohlene Blicke zu, aber in diesem Blick war etwas anders.
„Ist das alles, was Ihr zu sagen habt?“, fragte der Viscount.
„Das ist richtig.“
Viscount Boton seufzte – ein Seufzer der Erleichterung?
Dieses Geräusch ging Louison auf die Nerven. „Eure Ritter sind tot und Euch ist das egal?“
„Ach, nun ja. Diese Männer waren ursprünglich nicht besonders loyal. Sie haben viele Unfälle verursacht, und beim letzten Mal, als ich sie sah, sagten sie, dass sie meiner Herrschaft nicht folgen würden und haben mich verlassen. Es ist ziemlich unangenehm zu hören, dass sie im Namen meiner Familie Raubüberfälle begangen haben, aber ich kann diese Männer nicht bestrafen, da sie bereits tot sind. Ich war lediglich erleichtert, dass sie nicht die Ursache einer größeren Katastrophe waren.“
„Ist das so?“ Louison war immer noch misstrauisch, doch die anderen schienen von dieser Erklärung überzeugt zu sein.
„Wir müssen langsam gehen und Euch für das Bankett ankleiden, Euer Gnaden“, sagten die Dienstmädchen.
Louison nickte bei diesen Worten. „Wenn die trauernden Familien der Ritter ihre Überreste finden wollen, sollen sie mich aufsuchen.“
„Ich glaube nicht, dass so etwas passieren wird. Ihr könnt alle Bedenken vergessen.“
„Wirklich?“
„Dann werde ich Euch später sehen.“ Viscount Boton verbeugte sich höflich und zog sich zurück, mit dem Versprechen, sich später im Bankettsaal wieder zu treffen. Louison folgte den Dienstmädchen und drehte sich nach einer Weile um. Viscount Boton entfernte sich in diesem leeren, einsamen Korridor. Der Rücken des Viscounts wirkte besonders unheimlich, und dem jungen Herzog war kalt, als ob ein kalter Wind durch ihn hindurchging.
***
Am Abend versammelten sich die Adligen aus dem Gefolge des Großen Lords des Ostens im Bankettsaal – ein Fest, um den Besuch von zwei Großen Lords aus dem Osten und Süden zu feiern. Die Adligen erwarteten nicht viel von Viscount Botons Bankett. Schließlich wurde das Bankett kurzfristig vorbereitet und es gab auch nicht viel Personal, um sein Anwesen instand zu halten.
Entgegen aller Erwartungen war das Bankett jedoch tatsächlich beeindruckend. Der Saal war so wunderschön dekoriert – man könnte sogar sagen, dass der Viscount seine ganze Seele in die Gestaltung gesteckt haben musste. Ein süßer und pikanter Duft wehte durch die Räume. Das Essen war ausgezeichnet und auf dem Bankett gab es erlesenen Alkohol, den man in diesen ländlichen Gegenden selten sah.
Da ihre Erwartungen gering waren, waren die östlichen Aristokraten umso zufriedener. Ebenso freute sich der Große Lord des Ostens, dass er die Macht und den Weitblick eines Mitadligen in seinem Gebiet vor Louison zur Schau stellen konnte. Alle genossen die Feierlichkeiten sehr, und schnell entstand eine aufregende, heitere Atmosphäre.
Draußen hatte sich der Himmel inzwischen völlig verdunkelt.
Carlton saß auf einem Ast und starrte schweigend durch ein Fenster in den Bankettsaal.
Die Art, wie die Aristokraten so hübsch gekleidet waren und sich mit disziplinierten, anmutigen Bewegungen hin und her bewegten, gab dem Söldner das Gefühl, einem Puppentheaterstück zuzusehen.
Andere Männer und Frauen waren bis ins Detail herausgeputzt, aber nur Louison erregte Carltons Aufmerksamkeit. Obwohl der junge Herzog sich mit keinem Schmuck zierte und seine Gewänder geliehen waren, strahlte Louison mehr als die, die sich mit Pracht und glänzenden Edelsteinen bedeckt hatten. Das war nicht nur Carltons blinde Liebe, auch die anderen Adligen schauten heimlich zu Louison.
Louison stand mit gelangweiltem Gesichtsausdruck da. Die Blicke der anderen wurden von seinem Gesichtsausdruck angezogen. Diese Gleichgültigkeit ließ Louison edler erscheinen, aber Carlton wusste …
Dieser Ausdruck bedeutet, dass er nichts im Kopf hat.
Warum war er so geistesabwesend?
Carlton räusperte sich, bevor er plötzlich die Stirn runzelte. Ein anderer Adliger – vielleicht im selben Alter wie Louison – flirtete mit dem jungen Herzog und bot ihm Essen an. Louison lehnte das Angebot nicht ab und stand einfach da, während er dem anderen zuhörte.
Ich habe ihm doch gesagt, er soll kein Essen von unbekannten Personen annehmen!
Louison lächelte sogar während ihres Gesprächs. Flammen loderten in Carltons Augen.
Ich kann nicht einmal den Bankettsaal betreten und du flirtest mit jemand anderem, weil ich nicht da bin?
Er fühlte sich, als würde er vor Eifersucht glühen. Die Hand des Aristokraten berührte Louisons Schulter. Carlton starrte sie bösartig an, als würde er einem untreuen Ehepartner zusehen.
Der Söldner wollte gerade fluchend in den Bankettsaal eindringen, doch als er sah, wie Louison den anderen von sich wegschob, hielt sich Carlton hastig zurück. Die Geduld, die er sich während dieser Reise angeeignet hatte, half ihm in diesen Moment.
Ich werde verrückt.
Carlton warf Äste weg, die er unabsichtlich abgebrochen hatte, und seufzte. Louison hatte nichts Unrechtes getan, aber der Söldner fühlte sich ziemlich erbärmlich, als er nur zusah, wie der junge Herzog allein Spaß hatte. Wie armselig – wütend zu werden und sich von jemand anderem so beeinflussen zu lassen.
Louison nahm seine Zukunft mit Carlton nicht ernst – das bedeutete, dass seine Gefühle nicht so tief waren. Deshalb entschied sich Carlton für die Realität statt für die Liebe, für Gewissheit statt für Ungewissheit. Er hatte beschlossen, Abstand von dem jungen Herzog zu nehmen und seinen Geist zu beruhigen, bevor die unvermeidliche Trennung eintrat. Seine Absichten blieben unverändert – das war die vernünftigste Entscheidung, die er treffen konnte.
Warum verhielt er sich dann anders als geplant? Es gab nichts Dümmeres als einen Mann, der nach einer Abweisung nicht loslassen konnte, und er verhielt sich genau wie dieser Idiot.
Carlton war ganz beschämt und wollte gerade die Beobachtung aufgeben, als Louison plötzlich auf die Terrasse schlich. Der Bereich war nicht weit von dem Baum entfernt, in dem Carlton saß. Der Garten war dunkel, sodass Louison Carlton nicht sehen konnte … aber sie waren nah genug beieinander, um ein Gespräch führen zu können.
Allerdings verhielt sich Louison nie entsprechend Carltons Erwartungen.
Louison sah grimmig aus, als er über das Geländer der Terrasse kletterte wollte. Jedes Fenster des Saales hatte eine eigene Terrasse. Problematisch war allerdings, dass der junge Herzog wirklich nicht sportlich war. Er wusste nicht, wohin er seine Füße setzen sollte, doch schließlich packte er das Geländer und begann zu zittern. Der Bankettsaal befand sich im zweiten Stock. Die Entfernung zur nächsten Terrasse wäre so groß, dass ein erwachsener Mann sie mit einem Schritt überqueren könnte, aber das war zu viel für Louison.
„Ehrlich, wenn du dorthin willst, musst du durch den Bankettsaal gehen“, murmelte Carlton vor sich hin.
Verwundert über das Verhalten des jungen Herzogs, konnte Carlton es nicht fassen, dass er seine Entschlossenheit vergessen hatte und sich Louison näherte.
also dieser borton benimmt sich komisch als er die plakette bekam und das was er von sich gibt passt auch nicht so. ui carl ist jasowas von eifersüchtig. sie tun mir beide leid der eine kann sich nicht gut ausdrücken und der andere steht zu lang auf der leiter um es zu kapieren.
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