Kapitel 83


Nun, es ist nicht das erste Mal, dass Carlton sich merkwürdig verhält.

Louison gab es auf, weiter über das Thema nachzudenken und redete weiter über Morrison.

Du sagtest, er sei ein Inquisitor? So etwas gibt es wirklich?“, fragte der Söldner.

„…ich war auch völlig überrascht. Ich habe von ihnen gehört, aber ich hätte nie gedacht, dass ich in meinem Leben jemals einem begegnen würde…“

Ich habe Gerüchte gehört, dass sie völlig verrückt sind …“ Carlton hatte von diesen Inquisitoren gehört, die Ketzer jagten. Sie waren Legenden. Wieder einmal sank ihm das Herz. Wenn zumindest ein Bandit den jungen Herzog entführt hätte, dann hätte Louison Geld oder Status, um dagegen vorzugehen. Aber in solch einer Situation war Louison schutzlos wie ein kleines Kind. Weder Geld noch Macht würden gegen die Kirche wirken.

Ich entschuldige mich – wenn ich vorsichtiger gewesen wäre, wäre das nicht passiert“, sagte Carlton.

Es war nicht nur Carltons Fehler gewesen. Tatsächlich war Louison sich durchaus bewusst, dass er sich in Morrisons Gegenwart unvorsichtig verhalten hatte, beeinflusst von seinen früheren guten Erinnerungen an den Mann.

Aber wer hätte ahnen können, dass der freundliche Händler, der mir damals geholfen hat, ein Inquisitor ist?

Inquisitoren waren nicht allzu häufig. Louison, der als Adliger in der Hauptstadt des Königreichs gelebt hatte, hatte zwar verschiedene Priester getroffen gehabt, aber Inquisitoren waren Wesen, die nur in Geschichten existierten. Die einfachen Leute wussten nicht einmal, dass es sie gab.

Außerdem, du bist ziemlich müde, oder? Egal wie scharfsinnig du bist, es wäre schwer, einen Inquisitor zu enttarnen“, sagte Louison.

Im Grunde genommen würden sich Inquisitoren nicht auf diese Weise zu erkennen geben. Sie würden tief in die Schatten vordringen, um die Ketzer zu fangen, die sich oft im Verborgenen – im Hintergrund – bewegten. Wie dem auch sei, diese Organisation war seit Hunderten von Jahren aktiv und ihre Mitglieder lernten, ihre Identität zu verschleiern und andere zu täuschen. Da war nichts, was sie tun konnten.

Auf jeden Fall ist dies eine Gelegenheit, mehr über Rugers Bande zu erfahren. Lass uns Morrison ausfragen.“

Natürlich, das sollten wir“, antwortete Carlton entschlossen. Gleichzeitig bemühte er sich, keinen Blickkontakt mit dem jungen Herzog aufzunehmen.

Da Louison nicht ahnte, dass Carlton nach dem plötzlichen ersten Verliebtsein in ein Gefühlschaos gestürzt worden war, war er eifrig darauf bedacht, dessen seltsames Verhalten vor Morrisons Rückkehr zu klären. Er wusste einfach, welche Kommentare der Inquisitor machen würde, wenn er sie beide beobachtete.

Während sie geduldig warteten, kamen Morrison und seine Männer zur Hütte zurück. Alle Männer von Morrison hatten Verletzungen, aber keine davon war lebensgefährlich. Da es seine oberste Priorität war, Louison zu finden, schien der Söldner etwas Nachsicht bei der Unterwerfung und der anschließenden Befragung der Männer gezeigt zu haben.

Wenn das alles vorbei ist, denke ich, dass wir uns eine Weile auf Erholung und Genesung konzentrieren müssen. Ihr habt uns tief verletzt“, sagte Morrison bedeutungsvoll.

Ihr solltet dankbar sein, am Leben zu sein“, antwortete Carlton, ohne sich zurück zu nehmen – er sprach wie immer unverblümt.

Louison war erleichtert. Er hatte befürchtet, dass der Söldner benommen und geistesabwesend bleiben würde, aber als Morrison zurückgekommen war, hatte der Söldner wieder seine gewohnt überwältigende, einschüchternde Haltung angenommen und übte nun großen Druck auf den Inquisitor und seine Männer aus.

Louison saß nun entspannt da und konnte Morrisons Erklärung anhören.


***


Morrison, der Inquisitor.

Dieser Mann verfolgte die Spur eines Dämonenanbeters, der kürzlich an Einfluss gewonnen hatte.

Während der Süden noch in einen Machtkampf verwickelt war – als die politische Atmosphäre noch unklar war – kam Morrison in die Region und gab sich als Händler aus. Doch je mehr er der Spur folgte, desto kälter wurde sie. Später war er ratlos, wohin er sich wenden sollte.

Während er über seinen nächsten Schritt nachdachte, kam er nach Mittil, um mehr Informationen zu sammeln und seinen Vorgesetzten zu berichten. Dort traf er auf Louison.

Ein falscher Pilger, der eine unheilige Aura ausstrahlte.

Woher wusstet Ihr, dass ich ein falscher Pilger bin?“, fragte Louison.

Jeder Pilgerpass hat ein leicht verändertes Aussehen. Alle Inquisitoren haben diese auswendig gelernt.“

Louison untersuchte den Pass, den Morrison ihm zurückgegeben hatte.

Wenn ich mir das so ansehe... Was genau soll er... da auswendig gelernt haben? Ich kann es nicht einmal sagen, wenn ich es mir genauer anschaue. Wirklich, er ist ein Elitepriester der Kirche. Louison gab auf, es weiter zu versuchen.

Ich wollte Euch auf der Stelle verhaften, aber ich habe es mir anders überlegt und stattdessen beschlossen, zu beobachten. Es schien, als ob Ihr beide mit einem bestimmten Ziel unterwegs seid.“ Morrison fragte sich, ob die beiden Verbündete treffen oder zu ihrem Versteck zurückkehren wollten. Er folgte Louison, da er davon ausging, dass er mehr Informationen herausfinden könnte, wenn er an der Seite des jungen Herzogs blieb. Während er sie beobachtete, fand er heraus, dass Louison und Carlton ein schnelles Schiff brauchten.

Der Inquisitor konnte diesen Wunsch ausnutzen, um die beiden in seine Gruppe zu locken.

Ich habe Euch genau aus der Ferne beobachtet, und in diesem Moment erschien der Ghul. Diese Dinge passieren nicht bei einem normalen Tod. Schwarze Magie oder Flüche … Nur diejenigen, die an diesen ketzerischen Kräften sterben, werden zu Ghulen.“

Erst in diesem Moment war dem Inquisitor klar geworden, dass Cullen von einem Dämonenanbeter verführt worden war. Da das Relikt, das Louison besaß, von einer bösen Aura umgeben war – dessen böse Macht sehr stark war, hatte der Inquisitor das relativ schwache Schlangenmonster zu spät bemerkte.

Morrison blickte hasserfüllt auf das Knochenmesser des Dämonenanbeters. Aus Louisons Sicht sah das Messer einfach nur grob aus, aber der junge Herzog vermutete, dass der Inquisitor die Welt mit anderen Augen sah.

Cullen war jedoch nur ein kleiner Fisch gewesen. Wenn der Handlanger mehr Zeit gehabt hätte, wäre Cullen vielleicht ein Dämonenanbeter geworden. Das war jedoch nicht geschehen. Anstatt Louison durch den Versuch, Cullen zu verhaften, auf seine Identität als Inquisitor aufmerksam zu machen, hatte Morrison beschlossen gehabt, dass es besser wäre, Unwissenheit vorzutäuschen, um die Handlungen des jungen Herzogs weiter beobachten zu können.

Seit dieser langen Nacht – der Nacht, in der die Umstände des Schlangenmonsters aufgedeckt worden waren – hatte Morrison ständig den jungen Herzog und den Söldner beobachtet, die selten aus ihrer Kajüte gekommen waren.

I-Ihr habt alles beobachtet?“, fragte Louison verlegen.

Ja, alles.“ Morrison sah Louison bedeutungsvoll an. Sein Blick schien zu sagen: „Wollt Ihr jetzt wirklich behaupten, ich hätte mich getäuscht bezüglich eurer Beziehung? Nein, oder?

Ehrlich gesagt, nur weil wir uns geküsst haben, sind wir noch lange kein Liebespaar … noch sind wir verliebt … Louisons Gesicht wurde rot vor Verlegenheit: „Das geht nur uns etwas an, wisst Ihr.“

Es war meine Aufgabe. Mein Missverständnis wurde vollständig aufgeklärt. Anstatt Dämonenanbeter zu sein, habe ich erfahren, dass Ihr ihnen feindlich gesinnt seid.“

Dann habt Ihr mich entführt, um an die Informationen zu kommen, die Euch fehlten?“

Ich habe mich doch entschuldigt, oder? Wir waren auch verzweifelt. Diese Leute sind böse.“

Louison richtete sich auf und begann, Morrison konzentriert zuzuhören.

Der Inquisitor fuhr fort: „Teufelsanbeter. Wörtlich bezieht sich das auf Menschen, die Dämonen anbeten … den Teufel. Alternativ könnte man sie auch als Schwarze Zauberer bezeichnen.“

Teufels- oder Dämonenanbetung war eine ketzerische Religion mit ebenso langer Geschichte wie die heute herrschende Kirche. Die Methoden der Anbetung variierten von Zeit zu Zeit leicht, aber diese Gruppe schien Magie zu verwenden.

Es waren Menschen, die durch magische Forschung versucht hatten, die Bedeutung der Wahrheit in dieser Welt zu finden, und sich irgendwann der Dämonenanbetung zugewandt hatten. Sie glaubten, der Teufel sei ein Prophet, der die falsche Welt zerstören und sie zur Wahrheit führen würde.

Alle diese Anhänger folgten dem Teufel … und sie glaubten, dass sie durch die Anbetung des Teufels besondere Kräfte erlangt hätten.

Zum Beispiel Monster kontrollieren oder Flüche aussprechen. Das nennen wir schwarze Magie.“

Und es gibt wirklich keinen Teufel?“

Wie könnte so etwas in dieser Welt existieren?“, schnaubte Morrison. Sein Tonfall verriet die Überzeugungen eines Mannes, der tief im Glauben verankert war und sich Gott verschrieben hatte. „Jedenfalls verwenden diese Dämonenanbeter ungewöhnliche Magie. Das Problem sind jedoch ihre Wahnvorstellungen: Sie glauben, dass sie umso mehr Macht erlangen, je mehr sie dem Teufel in der Hölle gefallen. Deshalb tun sie diese verrückten Dinge, … um dem Teufel zu gefallen. Sie errichten Altäre und bringen alle möglichen Opfer dar.“

Je schrecklicher ihre Machenschaften – je mehr sie ihre Zuschauer erschreckten und verwirrten – desto wirksamer sollen ihre Opfer sein. So behaupten sie.

Die Folgen ihrer Vergehen sind ziemlich sichtbar und auffällig, sodass ihre Religion ziemlich hartnäckig überdauert hat. Ihre Vorgehensweise ist auch ziemlich grausam und düster. Sie begehen allerlei böse Taten, die enormen Schaden anrichten, aber da sie nicht daran interessiert sind, andere für ihre Sache zu gewinnen, ist es schwer, ihre Spur zu verfolgen.“

Nachdem Louison Morrisons Erklärung gehört hatte, war er einen Moment in Gedanken versunken. „Also, … der Grund, warum diese Leute so seltsame Dinge tun, ist, … weil sie die Welt ins Chaos stürzen wollen?“

Will er damit sagen, dass es in dieser Welt tatsächlich solche verrückten, geistig gestörten Menschen gibt, die man sonst nur in einem drittklassigen Schauspiel sieht? In meiner Zeitlinie?

Louison konnte ihre Existenz kaum glauben.

Der amüsante Wortwechsel über dieses Thema, den er mit Carlton gehabt hatte, war also die Wahrheit! Herrgott, die Welt ist dem Untergang geweiht.

Louison sah den Söldner an, der die Stirn runzelte. Es schien, als ginge es seinem Begleiter genauso.

Ehrlich, aber wer auf der Welt macht so etwas heutzutage noch…“

So ist die Welt, in der wir leben. Der Bürgerkrieg hat ein Chaos angerichtet, nicht wahr?“

Das ist ein bisschen schwer zu glauben. Ich denke immer, dass Ihr, obwohl Ihr der Inquisitor seid, einen Scherz mit mir macht.“

Glaubt Ihr wirklich, ich würde Witze über diese Heiden machen?!“, Morrisons furchterregendes Gesicht war ein wenig beängstigend.

Louison schlich sich an Carltons Seite. Der Söldner nahm die Hand des jungen Herzogs und trat vor, als wolle er den andere hinter sich verstecken. Erst dann beruhigte sich Louisons zuckendes Herz. Morrison warf ihnen ein bedeutungsvolles Lächeln zu, doch die beiden konnten dieses Lächeln leicht ignorieren.

Nun, ich glaube, ich würde jetzt gerne etwas vom Herzog hören“, sagte Morrison.

Bei diesen Worten blickte Louison dem Söldner in die Augen. Carlton nickte leicht. Auf dieses Zeichen hin begann auch der junge Herzog darüber zu sprechen, was er durchgemacht hatte.

Angefangen beim Angriff, dem von Monstern ausgelöschten Dorf, dem Altar in der Höhle des riesigen Tausendfüßlers und all die anderen Dinge. Der junge Herzog sprach lange, aber Morrison hörte der ganzen Geschichte aufmerksam zu, ohne auch nur einmal die Konzentration zu verlieren.

Wie konntet Ihr … Wie konntet Ihr Euch so oft mit dieser mysteriösen Gruppe einlassen?“, rief Morrison erschrocken. Dieser Mann war Rugers Bande kein einziges Mal begegnet, obwohl er sie verfolgt hatte. Er konnte nicht umhin, sich zu fragen, ob der Himmel ihm einen Streich spielte, indem er die Schicksale von Louison und den Dämonenanbetern miteinander zusammengeführt hatte.

Vor meiner Rückkehr, da gab es auch schon Ghule, … aber jetzt sieht man so viele.

Louison hatte gedacht, Ghule seien nur im Norden verbreitet, aber vielleicht war das in Wirklichkeit ein Zeichen für den wachsenden Einfluss der Dämonenanbeter. Außerdem könnte der Grund, warum in dem provisorischen Banditendorf keine Leichen zurückgeblieben waren, daran gelegen haben, dass diejenigen, die von Monstern angegriffen worden waren, alle zu Ghulen geworden waren. Die Leichen selbst könnten somit weggegangen sein.

Die Zukunft war düsterer, als Louison es sich je vorgestellt hatte. Der junge Herzog dachte unbeabsichtigt an den einarmigen Pilger. Der Pilger hatte viele seltsame Fälle gelöst, selbst nach dem Vorfall mit dem Schlangenmonster. Hatte er von der Existenz der Dämonenanbeter gewusst? Irgendwie dachte der junge Herzog, der andere müsste es gewusst haben.

Dieses Gespräch mit Morrison war wirklich nützlich. Es schloss die Lücke zwischen Louisons Erinnerung mit den Informationen des Inquisitors und ließ den jungen Herzog auf zukünftige Ereignisse zurückblicken, die er in seiner Unwissenheit bisher einfach ignoriert hatte.





1 Kommentar:

  1. dämonenanbeter und chaos alles was man zum untergang der welt brauchen kann. morrison kann es fast nicht glauben das luis öfters kontakt hatte mit solche als er der sie suchte. carl ist da und beschützt seinen luis. aber bei diesen verhalten muss er wieder lächeln. wär hätte das gedacht das morrison ein stalker ist. bin gespannt was noch alles kommen wird.

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