Carlton spuckte das Blut aus, das sich in seinem Mund angesammelt hatte. Um ihn herum lagen Morrisons Männer zusammengebrochen am Boden.
Seit Morrison ihn gebeten hatte, beim Entladen der Fracht zu helfen, fühlte sich Carlton unwohl. Doch weil ihn der Gedanke störte, dass seine gemeinsame Zeit mit Louison bald enden würde, hatte der Söldner dieses Gefühl ignoriert. Das hätte er nicht tun sollen.
Anfangs verlief das Entladen der Fracht noch normal. Doch nach und nach war das unangenehme Gefühl in ihm gewachsen. Er hatte sich unruhig gefühlt, da der junge Herzog nicht in seiner Nähe war. Louison war die Sorte Mensch, die selbst auf einer ebenen Fläche stolperte. Carlton hätte besser bei ihm bleiben sollen. Als er die Unruhe nicht mehr ertragen konnte und dachte, er sollte seinen Gefährten suchen gehen, hatten Morrisons Männer plötzlich Schwerter gezogen und ihn angegriffen.
Erst dann war ihm klar geworden, was ihn die ganze Zeit über beschäftigt hatte: Er hatte die Vorsicht und Wachsamkeit anderer gespürt gehabt.
Carlton hatte sein Schwert gezogen und ich gewehrt. Morrisons Männer waren hervorragend ausgebildet. Ihre Fähigkeiten im Schwertkampf waren beeindruckend, und sie arbeiteten synchron, als hätten sie bereits oft zusammen gekämpft. Sie waren gut ausgebildete Elitekrieger, die in jedem Gebiet bestehen konnten.
Unglücklicherweise war ihr Gegner jedoch Carlton gewesen. Der Söldner war unermesslich stark und besonders geschickt im Schwerkampf. Er schlug Morrisons Männer im Handumdrehen nieder. Er packte einen der gefallenen Männer an den Haaren: „Wer seid ihr? Wer hat euch geschickt?“
Natürlich bekam er keine Antwort, aber das hatte Carlton auch nicht erwartet. Er war einfach nervös und musste seine Aufregung irgendwie loswerden. Der Gedanke, dass Louison und Morrison allein zusammen waren, ließ sein Herz fast explodieren. Der Söldner ließ den Kopf des Mannes grob los und rannte aufs Deck.
Die Menschen, erschrocken von der beängstigenden Mordlust des Söldners, wichen instinktiv zurück und machten ihm Platz. Carlton suchte das Schiff nach Louison ab.
Wo ist der Herzog?
Nichts. Louison war nirgends zu sehen.
Wo ist er? Wo sind sie hin? Es ist unmöglich, dass ich ihn vermisse. Warum kann ich ihn nicht sehen?
Auch Morrison war nicht zu finden. Wahrscheinlich war er mit dem jungen Herzog irgendwohin verschwunden.
Ich war zu nachlässig.
Er hatte Morrison schon seit einiger Zeit für verdächtig gehalten. Seltsamerweise hatte er sich von dem Mann sogar abgestoßen gefühlt und mochte ihn nicht. Carlton vertraute seiner Intuition. Normalerweise wäre er in Gegenwart dieses Mannes nicht unvorsichtig gewesen.
In einer normalen Situation hätte er herausgefunden, wer dieser Mann war, und wäre an Louisons Seite geblieben.
Doch dieses Mal hatte er seine Intuition ignoriert und nicht auf die Warnungen gehört gehabt, die sein Instinkt ihm gegeben hatte. Er war selbstgefällig – was überhaupt nicht seine Art war.
Warum habe ich das getan?
Nach einer Weile hatte er aufgehört, seine Umgebung richtig wahrzunehmen. Seine geschärften Sinne waren abgestumpft, seine Aufmerksamkeit hatte ausschließlich Louison gegolten. Es musste mehr Warnsignale gegeben haben, aber keines davon war ihm aufgefallen. Seine Augen waren zu sehr damit beschäftigt gewesen, Louison zu folgen.
Er hatte die ganze Zeit mit Louison verbracht – lachend, sich küssend, nachts heimlich aufs Deck schleichend, um sich wieder zu küssen. Sie hatten sich keine Sekunde gelangweilt. Der Söldner hatte sich gefühlt, als würde er schweben. Er war wie in Ekstase gewesen, wie ein Kind, das zum ersten Mal die Süße von Zuckerwatte probiert hatte.
Und jetzt erntete er die Konsequenzen. Es war nicht so, dass er von einem ausgeklügelten Plan oder einem unbekannten Zauber überrascht worden wäre. Er hatte Louison auf so absurd lächerliche und unnötige Weise verloren. Er bereute es zutiefst. Sein sonst so ruhiger Verstand, der selbst in lebensbedrohlichen Situationen aufmerksam blieb, war jetzt verschwommen und leer. Alles, woran er denken konnte, war Louisons winkende Hand, als er sich von ihm verabschiedet und gesagt hatte, sie würden sich später wiedersehen.
*Wieher*
Ein vertrautes Pferdewiehern drang an sein Ohr. Zephys galoppierte zu seinem Herrn.
Stimmt. Ich habe ja noch dich, Zephys.
Carlton sprang auf den Rücken des Pferdes. Zephys war bei dem jungen Herzog gewesen. Er war ein kluger Kerl, also musste er sich daran erinnern, wohin Morrison Louison gebracht hatte.
„Auf geht’s!“ Carlton trieb sein Pferd grob an. Er hörte Proteste aus verschiedenen Ecken, aber die Menschenmenge, – die vielen Leute in diesem Hafen –, nahm er gar nicht wahr.
Er musste Louison so schnell wie möglich finden. Er musste an die Seite des jungen Herzogs zurückkehren.
***
Das erste, was Louison spürte, als er wieder zu sich kam, war, dass die Kapuze, die sein Gesicht bedeckt hatte, verschwunden war. Die kalte Luft umhüllte seinen ganzen Körper. Er öffnete leicht die Augen, doch der Raum war zu dunkel, als dass er etwas hätte sehen können.
Meine Gewänder sind weg.
Louison bemerkte auch, dass seine Arme und Beine an etwas festgebunden waren, das einem Stuhl ähnelte.
Wo bin ich? Wie lange war ich bewusstlos?
Plötzlich überkam ihn ein unheilvolles Gefühl. Morrisons kalter Gesichtsausdruck, den er gesehen hatte, kurz bevor er ohnmächtig geworden war, kam ihm in den Sinn.
„Wenn Ihr damit fertig sind, Eure Situation zu verstehen, solltet Ihr euch beeilen und die Augen ganz öffnen.“
Das war Morrisons Stimme.
Oh mein Gott. Er ist direkt vor mir.
Louison öffnete langsam die Augen und versuchte, seine Überraschung nicht zu zeigen. Seine langen Wimpern hoben sich in einer eleganten Kurve und enthüllten darunter klare, blaue Augen. Er starrte Morrison direkt an.
„Was tust du da?“, fragte Louison abrupt. Da sein Status als falscher Pilger aufgedeckt worden war, hörte der junge Herzog auf, Ehrentitel zu verwenden. Nach all dem Erlittenen verzichtete er schließlich ganz auf Höflichkeit. „Woher wusstest du, dass ich ein falscher Pilger bin? Wusstest du es vielleicht von Anfang an?“
Morrison antwortete nicht. Louison erkannte, dass das Schweigen eine positive Bestätigung war.
Also wusste er von Anfang an, dass ich ein falscher Pilger bin, und hat uns deshalb diesen Auftrag gegeben?
Louison erinnerte sich an den Vorfall, bei dem sie Morrison verdächtigt hatten, ihnen zu folgen. Vielleicht war das kein Missverständnis gewesen – vielleicht waren sie tatsächlich verfolgt worden. Die Behauptung, Louison und Carlton sähen zu verliebt aus, um sie zu stören, … war das alles nur gespielt gewesen, um ungeschickt und inkompetent zu wirken?!
Louison biss die Zähne zusammen angesichts von Morrisons ausgeklügelter Täuschung. „Warum hast du uns verfolgt? Warum hast du dich an unsere Seite geschlichen und so getan, als wärst du unser Auftraggeber?“, fragte er.
Diesmal antwortete Morrison: „Ich habe Euch zum ersten Mal in Mittils Kirche gesehen. Von Euch ging eine starke Fluchaura aus.“
Die Kirche! Dort hat es angefangen?!
„Ich dachte einen Moment lang, ein Dämonenanbeter käme näher. Doch dann gab er sich zufällig als falscher Pilger aus und benutzte den Pass eines toten Pilgers. Ich war misstrauisch und schlug vor, dass wir zusammen reisen.“
„Fluch? Dämonenanbeter? Davon weiß ich nichts. Es war falsch von mir, mich als Pilger auszugeben, aber es gab einen guten Grund dafür.“
„Ich habe Euch die ganze Zeit beobachtet. Und daher bin ich zu diesem Schluss gekommen.“ Morrison ignorierte die Worte des jungen Herzogs und fuhr fort: „Als von der Kirche ordinierter Ketzerei-Inquisitor werde ich Euch wegen des Verdachts verhören, ein ketzerischer Kultist zu sein.“
„Bist du wirklich ein Inquisitor?“, Louison war sehr überrascht.
Obwohl er im Laufe seines Lebens auf die eine oder andere Weise viele Geschichten über diese Inquisitoren gehört hatte, war dies das erste Mal, dass er einem begegnete.
Die Inquisitoren waren genau das, was ihr Name vermuten ließ: Sie waren Priester, die für die Befragung, Identifizierung und Bestrafung von Ketzern zuständig waren. Ihre Identität und detaillierte Berichte über ihre Aktivitäten wurden streng geheim behandelt. Selbst gewöhnliche Priester wussten nichts davon. Ihre bösartige und grausame Haltung gegenüber Ketzern war jedoch berühmt.
Unabhängig vom Rang ihres Gegners jagten die Inquisitoren jeden, der als Kultist verdächtigt wurde. Und sie waren bekannt dafür, so lange zu foltern, bis ihre Gefangenen gestanden. In diesem Prozess wurden Lügen oder Morde toleriert. Sie folgten nur einem Prinzip.
Das heißt, sie taten alles um jeden Preis, um ihre Ziele gefangen zu nehmen und zu töten.
Und nun wurde Louison von so einer Person als Ketzer missverstanden – der schlimmste Fall.
„Ich glaube, du missverstehst etwas…“, versuchte Louison zu erklären, aber Morrison hörte nicht einmal zu. Wieder brannten blaue Flammen in Morrisons Augen. Fast gleichzeitig breiteten sich die Flammen um den jungen Herzog aus und umgaben ihn. Der Raum wurde vom Licht der Flammen erhellt.
Louison schnappte nach Luft. Angst flackerte in seinen Augen. Bizarre Folterwerkzeuge – Dinge, die er noch nie zuvor gesehen oder von denen er gehört hatte – hingen an den Wänden. Es ließ ihn an alle möglichen schrecklichen Foltermethoden denken. Der junge Herzog zuckte zusammen und versuchte unbewusst zu fliehen.
*Ruck*
Der Eisenstuhl rührte sich keinen Zentimeter. Schweiß tropfte wie Regen herab, sein ganzer Körper zitterte.
„Nngh…“
Morrison stand aufrecht und schaute mit einem unverständlichen Blick auf Louison herab. Die religiöse Ausstrahlung des Inquisitors überwältigte den jungen Herzog. Die Situation war so ernst, dass Louison sich hoffnungslos fühlte. Die blauen Flammen flackerten, als wollten sie ihn verschlingen. Louison fühlte sich elend, – als wäre er unbedeutend und klein geworden.
„Ich werde diese Dinge nicht benutzen müssen, wenn Ihr einfach die Fragen beantwortet, die ich Euch stelle. Sagt mir jetzt die Wahrheit. Dieses Feuer wird die Wahrhaftigkeit Eurer Worte beweisen.“
Louison fühlte sich wie ein geprügelter Hund mit gesenktem Schwanz: „Ich… W-was… soll ich sagen…“
„Sagt mir, was das ist“, Morrison zog ein kleines Messer hervor. Louison hatte es in den Tiefen der Tausendfüßlerhöhle gefunden, – ein einfaches Messer aus Knochen. Louison hatte es damals in den Beutel seiner Robe gesteckt, … Wann hatte Morrison das an sich genommen?
Morrison fuhr fort: „Das hattet Ihr bei Euch. Es ist eine Reliquie, die von Dämonenanbetern verwendet wurde.“
„Das ist eine Reliquie? Ich kann nicht glauben, dass so ein spielzeugähnliches Ding eine Reliquie ist …“
„Trotz seines einfachen Aussehens … Ihr würdet überrascht sein, wie viele Opfer dieses Messer durchbohrt hat.“
Opfer? Louison dachte sofort an die Frauen, die in der Tausendfüßlerhöhle gefangen gewesen waren. Waren sie Opfer für eine dunkle Zeremonie gewesen? Wenn das der Fall war, ergab die Errichtung des Altars und die riesige Ziegenbüste einen Sinn.
„Wo und wie habt Ihr dieses Messer bekommen?“, fragte Morrison.
„Das… In Confosse gab es eine Tausendfüßlerhöhle. Dort habe ich es gefunden.“ Um seine Unschuld zu beweisen, verriet Louison alles, was er über den bizarren Vorfall wusste, der sich in dem Dorf in der Nähe von Confosse ereignet hatte.
„Ein Altar, hmm? Das klingt nach etwas, was diese Kerle tun würden“, Morrison grübelte einen Moment, bevor er eine weitere Frage stellte, „Dann das Schlangenmonster. Woher wusstet Ihr, dass dieses Ding das Chaos verursacht hat?“
„Das ist…!“, Louison wollte sofort antworten, hielt aber inne. Wenn er sagte, er habe die Antwort aus der Zukunft gewusst, würde ihm Morrison das glauben? Es gab eine berühmte Geschichte über einen Heiligen, der einen Wunsch an Gott richtete und daraufhin in die Vergangenheit zurückversetzt wurde. Doch wenn Louison behauptete, etwas Ähnliches sei ihm widerfahren, war er sicher, dass ein tief religiöser Mann wie Morrison ihm nicht glauben würde.
Wenn ich ihm die Wahrheit sage, wird er vielleicht noch wütender und denkt, ich versuche, ihn zu täuschen … Was soll ich tun?
carl hat es also gemerkt das etwas nicht stimmt und hat sie fertig gemacht die in aufhalten wollte. oh weh morisson ist also einer von dennen. er kann also fast alles beantworten nur woher er das wusste nicht. egal ob er im glauben würde oder nicht, jetzt ist er in einer misslichen lage unser luis. was wird er sagen und wird der es glauben. carl komm und rette deinen luis.
AntwortenLöschenCarlton wird ihn Louisons Nähe unvorsichtig, aber dafür wird sein Zorn nur durch seinen Herzog gezügelt werden können. Oh man ey, in den Schuhen des Feindes möchte man jetzt wirklich nicht stecken. XD
AntwortenLöschenNa wunderbar, Morrison ein Inquisitor... Und Carlton auf der Suche nach Louison. Vielleicht sollte man Morrison sagen, das er die Beine in die Hand nehmen soll, den Carlton konnte ihn ja von Anfang an nicht leiden, und wenn er das dann noch rausfindet XD
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