Teil 2 - Wenn ein Problem gelöst ist, taucht ein anderes auf
Ruger stand vor dem einsamen Gästezimmer, das in einer abgelegenen Ecke des Schlosses lag. Der Soldat, der die Tür bewachte, inspizierte das mitgebrachte Tablett. Ruger stieß einen langen Seufzer aus.
Louison war in dieses Zimmer verbannt worden, nachdem er sein Schlafgemach, das schönste Zimmer im Schloss, an Carlton abgetreten hatte. Louison hatte gesagt, er habe Carlton das Schlafgemach freiwillig angeboten, aber die meisten Bediensteten schienen zu glauben, er sei gezwungen worden, seine Gemächer zu verlassen.
Wie konnte der Herzog von Anness so enden…
Der Wächter beendete seine Untersuchung und öffnete die Tür. Ruger nickte ihm kurz zu und betrat das Zimmer. Louison war bereits aufgewacht, hatte sich ohne die Hilfe eines Dieners umgezogen und saß am Tisch. Bei seinem Anblick stieß Ruger einen weiteren Seufzer aus.
Louison war immer von den edelsten Dingen umgeben gewesen und war von einem Dutzend Dienern bedient worden. Er hatte Dingen keine Beachtung geschenkt, es sei denn, sie waren teuer und wertvoll. Natürlich hatte er auch in der Hauptstadt immer in einem vornehmen und prächtigen Herrenhaus gewohnt.
Dieser Raum im Vergleich dazu …
Das Zimmer war geräumig und sauber, aber die Möbel waren abgenutzt und die Dekoration altmodisch. Der Raum wirkte noch schäbiger, als Ruger ihn mit einem leeren Lagerraum verglich.
Außerdem war Louison kein Dienstpersonal zugeteilt worden. Alle Diener des Herzogs waren damit beschäftigt, hinter Carlton und seinen Männern aufzuräumen. Nur Ruger war zurückgeblieben, um Louison zu bedienen, aber es fiel ihm schwer, die Arbeit vieler Leute zu erledigen. Er legte Wert darauf, pünktlich Mahlzeiten zu bringen und das Zimmer sauber zu halten – und selbst das war ermüdend. Daher wusch sich Louison selbst, zog sich an und kümmerte sich um seine eigenen Bedürfnisse.
Aus Rugers Sicht war Louison jemand, der nie einen Finger für sich selbst gerührt hatte. Er würde den ganzen Tag einen Pyjama tragen, wenn die Bediensteten ihm keine Wechselkleidung zur Verfügung stellen würden.
Ha … der Herzog ist auf diese Weise irgendwie tief gesunken … Ruger fand, dass Louison so erbärmlich aussah.
Ruger stellte das Essen auf den Tisch. Die Qualität des Essens war nicht so gut wie das, was der Herzog normalerweise serviert bekam. Brot, Suppe, Fleisch und verschiedene Gemüsesorten – arme Barone in der Hauptstadt aßen üppiger als das – obwohl das Essen für Louisons verändertes Leben sicherlich reichlich war. Der Adjutant wischte sich heimlich Tränen aus den Augen, als er an die aktuelle Situation seines Herrn dachte.
Aber Louison war anders.
„Auch heute ist es wieder ein Festmahl!“ Er begrüßte die schäbigen, für ein edlen Adligen unwürdigen Speisen freudig. Ruger sah Louison verwundert an.
„Was ist los? Hast du etwas zu sagen? Kannst du es sagen, während ich esse? – Ich habe großen Hunger.“
Ruger wusste nicht, ob Louison versuchte, positiv zu bleiben, oder ob er einfach nur dümmlich war. Derjenige, dessen Stolz am meisten verletzt war, derjenige, der am melancholischsten hätte sein sollen, schien vollkommen in Ordnung zu sein.
„Nein. Bitte iss.“
„Mhmm“, antwortete Louison fröhlich und begann zu essen.
Zuerst schnitt er ein großes Stück Brot ab und schob es sich genüsslich in den Mund. Während er das Brot kaute, schlürfte er die schöne heiße Suppe in einem langen Schluck hinunter. Dann widmete er sich ruhig den Gemüse- und Fleischgerichten. Louison aß glücklich und das Gefühl der Zufriedenheit breitete sich in seinem ganzen Körper aus.
Seit wann isst mein Herzog so gut…?
Der Louison, an den Ruger sich erinnerte, hatte immer apathisch auf seine Mahlzeiten geschaut. Selbst wenn der königliche Koch besonders anspruchsvolle Gerichte zubereitet hatte, mit Zutaten, die nur einmal in zehn Jahren auf den Tisch gekommen waren, hatte Louison ihm weder Anerkennung noch Bewunderung gezollt. Die Köche im Herrenhaus hatten Mühe gehabt, seinen kleinen Gaumen zufriedenzustellen … Aber jetzt nagte Louison an einem Hühnerbein und kaute den gesalzenen Knorpel.
Vor drei Stunden hatte er drei Äpfel gegessen – mit Kerngehäuse und allem – weil ihm zu langweilig gewesen war.
In Momenten wie diesen hatte Ruger das Gefühl, nicht mehr demselben Herrn zu dienen wie zuvor. Er hatte das unerklärliche Gefühl, dass da ein Bettler in der Haut seines Herrn steckte.
Ich habe von Fällen gehört, in denen Essattacken den psychischen Druck abbauen … Steht er unter Schock?
Ruger sah Louison mit ernsten Blick an.
Ohne etwas von all den Gedanken zu wissen, die Ruger durch seinen Kopf gingen, war Louison einfach nur verzückt über sein köstliches Essen.
„Wie erwartet ist Brot wirklich das Beste.“ In seinen Bettlertagen hatte er sich abgemüht, steinhartes Brot zu essen, das man in den Müll geworfen hatte … Aber Weißbrot, das nur aus Weizen hergestellt wurde und so weich war, dass es auf der Zunge zerging? Louison war im siebten Himmel.
Das Beste! Sich zu ergeben war so eine gute Idee!
Er verbrachte seine Tage in Gefangenschaft, als hätte er die befriedigendste Zeit seines Lebens.
Zur Essenszeit brachte Ruger frisch zubereitete, warme Mahlzeiten. Die Tische waren mit Obst beladen – er brauchte nur mit den Händen danach zu greifen, um sich daran zu laben.
Louison konnte still sitzen und hatte trotzdem genug zu essen, um seinen Bauch zu füllen.
Ruger bedauerte die Schäbigkeit des Raumes, aber das Schlafzimmer mit seinen Wänden, dem Dach und der funktionierenden Heizung war für Louison wie ein Palast.
Hätte er in irgendeiner Scheune übernachten wollen, hätte er dem Besitzer der Scheune für ein bisschen Heu alle möglichen Schmeicheleien machen müssen.
Er hatte keine Angst, im Schlaf von Frost bedeckt zu werden, und er musste auch nicht die ganze Nacht Wache halten, aus Angst, von einem wilden Hund angegriffen zu werden.
Nach einer Nacht Schlaf, eingehüllt in die weiche Daunendecke, fühlte sich Louison am Morgen so erholt, dass er das Gefühl hatte, sein Körper könnte fliegen. Und all diese Vorteile waren kostenlos! Diese Vorzugsbehandlung wurde ihm durch die Macht seines Namens und seines Status als Herzog zuteil!
Früher war es so einfach, all das als selbstverständlich hinzunehmen – Privilegien waren so einfach wie das Atmen. Doch jetzt betrachtete er diese Behandlung mit anderen Augen. Vielleicht weil er seine Fehler korrigierte, hatte er das Gefühl, auf seine Rolle ein wenig stolz sein zu können.
Während er zu Abend aß, klopfte es an der Tür und Carltons Soldat betrat das Zimmer. Louison erstarrte, den Löffel auf halbem Weg zum Mund. Schon wieder er? War dass das Ende seiner glücklichen Tage?
„Ich wurde gebeten, den Herzog zu eskortieren“, sagte der Soldat.
„Ich bin gerade beim Essen……“
„Sie müssen sofort gehen, ohne Verzögerung.“
„….Ich verstehe."
Louison legte seinen Löffel hin und wusch sich die Hände in der Waschschüssel, die Ruger mitgebracht hatte.
„Musst du gleich losrennen, wenn du gerufen wirst? Macht er das absichtlich? Du wirst immer mitten in einer Mahlzeit gerufen, mein Herr“, flüsterte Ruger Louison zu.
Louison stimmte seinem Verdacht zu, aber er hatte keine Wahl. Sturheit konnte er sich nicht leisten.
„…Ich muss los.“ Er blickte auf den Tisch hinunter. Warmes Essen starrte ihn an.
Halb aufgegessene Hähnchenschenkel sangen Louison liebevoll zu: „Wirst du mich wirklich so liegen lassen? Wirklich?“
Louison wusste, dass all dieses gute Essen weggeworfen werden würde, wenn er jetzt ginge – es brach ihm das Herz, so viel zu verschwenden.
Aber er musste gehen.
„Wenn ich nicht gehe, weiß ich nicht, wie Carlton sich rächen wird …“, murmelte Louison traurig.
Entgegen der allgemeinen Erwartung von Schmerzensschreien und Weinen, war es im Inneren des Schlosses ruhig. Louisons Worte zum Zeitpunkt der Kapitulation schienen Carlton zu einer Erkenntnis geführt zu haben.
Carlton achtete darauf, keine Probleme zu verursachen, während er seine Männer unter Kontrolle hielt. Wie hart muss die militärische Disziplin gewesen sein – selbst diejenigen, die nichts mit Carltons gelegentlichen Rügen zu tun hatten, hegten Mitgefühl für ihre Kameraden.
Carltons Soldaten waren zumeist Söldner. Sie waren rau und grausam, aber auch gut diszipliniert. Sie verursachten keine Skandale. Laut dem Butler stritten sie sich manchmal mit den energischeren Bediensteten, aber über diese Rangeleien konnte man hinwegsehen.
Es schien, dass die brutalen Ereignisse, die während Carltons Besetzung anderer Gebiete stattgefunden hatten, nicht durch Carltons Mangel an Disziplin über seine Männer, sondern durch seine ausdrückliche Erlaubnis geschehen waren. Allerdings war niemand mutig genug, sich darüber zu beschweren – das war auf anderen Ländereien passiert, nicht auf ihrem eigenen.
Louison erreichte Carltons Büro. Er war besorgt und spürte, wie sein Herz wild pochte.
„Haaa“, er atmete tief durch, konnte sich aber immer noch nicht entspannen.
„Soll ich die Tür öffnen?“, fragte sein Begleiter.
„Ja, bitte."
Er gab seine Erlaubnis, die Tür zu öffnen, konnte sein Herz jedoch nicht beruhigen. Kurz nachdem der Soldat die Tür geöffnet hatte, betrat Louison den Raum.
Carlton war an seinem Schreibtisch in Arbeit vertieft. Als er Louison hereinkommen hörte, lächelte er und stand von seinem Platz auf. Als wären sie zwei Freunde, die sich draußen auf der Straße kennengelernt hatten, näherte er sich schnell und legte seine Hände auf Louisons Schultern. Sobald sich seine großen Hände um seine Schultern gelegt hatten, sank Louisons Herz in die Hose.
Ach, mir tut das Herz weh.
Carlton führte Louisons hilflosen Körper zum Sofa. Nachdem dieser sich auf die Kissen gesetzt hatte, hockte Carlton sich vor ihn hin.
„Danke für dein Erscheinen, Euer Gnaden. Es tut mir leid, dass ich dich so plötzlich gerufen habe.“
„Ja, es ist kein Problem…“
„Ich weiß nicht viel, deshalb brauche ich von Zeit zu Zeit den Rat meines Herrn. Bitte habe mit deinem großzügigen Herzen Verständnis.“
Carltons Haltung war tadellos höflich. Er behandelte Louison wie einen Vorgesetzten, er zeigte Respekt und verwendete eine formelle Sprache. Trotz Louisons unbeholfenen Antworten behielt er eine freundliche Haltung und ein offenes Lächeln bei.
Das. Genau das war der Grund, warum Louison Angst hatte.
Ich weiß nicht, wann er sich wieder ändern wird.
Louison musste an die Nacht vor ein paar Tagen denken, in der er sich ergeben hatte.
Carlton hatte zur Feier seines Sieges ein Bankett veranstaltet gehabt, zu dem er auch Louison eingeladen hatte.
Soll ich gehen oder nicht?
Louison hatte sich in einer viel zu unsicheren Lage befunden, um ohne weiteres an den Feierlichkeiten teilzunehmen, aber er war zu vorsichtig gewesen, um die Einladung abzulehnen.
Er wollte Carlton gegenüber nicht den Eindruck erwecken, unzufrieden zu sein.
Vielleicht wäre es besser, daran teilzunehmen, da keiner der anderen Gefolgsleute dorthin geht.
Louison, immer noch besorgt, hatte am Bankett teilgenommen.
Da das Bankett zu Carltons Ehren abgehalten worden war, hatte Louison damit gerechnet, zum Gespött zu werden. Er war entschlossen gewesen, allen Spott zu ertragen. Unerwarteterweise hatte Carlton Louison mit nichts als Respekt behandelt. Auch Carltons Männer hatten vorsichtig versucht, ihm zu gefallen.
Da Louison misstrauisch gegenüber Carltons Plänen gewesen war, hatte er sich zunächst vorsichtig verhalten. Das Essen beim Bankett war jedoch so köstlich gewesen – hochwertiger Alkohol, der seine Zunge umhüllte und Essen, so weit das Auge reichte. Nach und nach hatten die Spannungen nachgelassen und sein Misstrauen war weniger geworden.
Als die Stimmung auf der Feier ihren Höhepunkt erreicht hatte, hatte sich Carlton Louison genähert.
da kann ich verstehen das ruger sich nicht mehr sicher ist ob das wirklich sein herr ist. aber luis weiss es er hatte es im vergangegen leben erlebt und darum weis er das das essen so gut ist. carlton lässt in also immer gerade wenn er isst zu sich rufen. das er in auch so nett behandelt würde mir auch angst machen. was hat carlton bloss nur vor.
AntwortenLöschenEs ist verständlich, dass sich Ruger wundert warum sein Herr so anders ist. Immerhin ist am dem Tag wo Louison wiedergeboren wurde für alle anderen nichts besonders passiert. Und eine hundertachtzig, nein dreihundertsechzig- Kehrtwendung einfach so passiert auch nicht alle Tage.
AntwortenLöschenWer einmal am Verhungern war schätzt sogar schlecht gewürztes Essen, eine Sache die man sich zu Herzen nehmen sollte.
Was ist den das für ein böser Kliffhänger 😨. Haha, dass Ruger bei dem Gedanken "ein Bettler steckt im Körper seines Herrn" den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Vielen lieben Dank für die Arbeit
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