Louison und Carlton saßen nebeneinander auf dem Sofa. Mit Wein gefüllten Gläsern stießen sie zur Feier ihres Sieges an. Das Geräusch der aneinanderstoßenden Gläser klang so erfrischend, und die violette Flüssigkeit im Inneren erzitterte.
„Was ist mit Morrison? Ist er noch mitten in der Befragung?“
Sie hatten im Bankettsaal einen sterbenden Dämonenanbeter gefunden – den Mann, der sich als Viscount Boton ausgegeben hatte. Sie hatten geglaubt, alle seien tot, aber da war er noch. Morrison hatte den Mann mitgenommen, da er noch am Leben war. Louison hatte keine Ahnung, wie der Inquisitor jemanden befragen wollte, der nicht einmal die Augen öffnen konnte. Morrison war unglaublich erschöpft gewesen, aber dennoch sehr glücklich. Er sagte, dass es definitiv die richtige Entscheidung war, dem Herzog zu folgen.
„Ich war vorhin dort, und er war immer noch mitten in der Befragung. Morrison hat mir ein paar Dinge erzählt, die er herausgefunden hat“, sagte Carlton.
Die Zahl der Dämonenanbeter war gering – insgesamt waren es zwölf Personen, die sich selbst fast priesterlich als Anbeter bezeichneten. Es schien, als wollten sie die Allegorie der zwölf Apostel übernehmen. Sie nannten sich gegenseitig bei ihrer Nummer und einer von ihnen schien eine ziemlich hochrangige Persönlichkeit im Königreich zu sein: Rugers Vater.
„Sein Vater?“
„Ruger wurde nicht anerkannt, sondern war ein unehelicher Sohn. Diese Leute schienen keine Geheimnisse voreinander zu haben.“
„Oh….“
Die Behauptung, Ruger sei der dritte Sohn einer Adelsfamilie, war also eine Lüge. Louison hatte damit gerechnet und war nicht allzu überrascht.
„Welcher Adlige?“, fragte Louison.
„Das ist noch nicht aufgedeckt worden.“
„Ich nehme an, das werden sie nicht so leicht preisgeben. Trotzdem wurde in so kurzer Zeit viel herausgefunden.“
„Ja, nun … die Schreie eines Mannes, der an seinen letzten Atemzügen hängt, sind ziemlich laut …“, Carlton verzog das Gesicht. Die Szene der Befragung zeigte, dass der schlechte Ruf des Inquisitors keine Übertreibung war. „Komm ihm jedenfalls nicht zu nahe.“
Sogar Carlton wirkte verunsichert. Wenn Morrison in so kurzer Zeit so viel von einem sterbenden Mann erfahren hatte, dann sah das Geschehen definitiv nicht gut aus. Louison schwor, sich Morrison vorerst nicht zu nähern.
Carlton fuhr fort: „Und es scheint, diese Bastarde sind auch in der Hauptstadt.“
„Der Hauptstadt?“
„Ja. Es scheint, dass Ruger in der Hauptstadt war, im königlichen Palast.“
„Der Königspalast…“, Louison erinnerte sich an den König und den ersten Prinzen, bevor er diesen Gedankengang reflexartig aus seinem Gedächtnis wischte. Im Palast lebten viele Menschen: Diener, Ritter, Verwalter und viele mehr. Einige Adlige wohnten sogar im Königspalast, wenn sie die Hauptstadt besuchten.
„Was für ein Mensch ist er denn…? Das würde ich gerne wissen, bevor ich ihm im Palast begegne“, sagte Louison und runzelte die Stirn.
„Morrison hat beschlossen, diese Informationen weiterzugeben, sobald er mehr herausfindet. Wenn er so weitermacht wie bisher, sollten die Informationen bald ans Licht kommen.“ Carlton, der nicht wusste, wie er Louisons angespannten Gesichtsausdruck lockern sollte, drückte mit seinem Daumen auf die Stirn des jungen Herzogs. Louison starrte Carlton einen Moment lang erstaunt an, ließ den Söldner aber gewähren, weil dieser so glücklich aussah.
Die Berührung, die als Scherz begann, wurde immer verführerischer. Der Daumen strich über die empfindliche Haut von Louisons Ohr. Carltons Gesicht verlor sein Lächeln.
Der Blick des Söldners war so intensiv, dass Louison sich schwindlig fühlte. Sogar das Geräusch des Atems war angespannt. Louison senkte leicht die Augen, bevor er sie ganz schloss, während Carlton sein Kinn umfasste.
Als hätte er auf diesen Moment gewartet, bedeckten die Lippen des Söldners die des jungen Herzogs. Als Louison seinen Mund leicht öffnete, schob sich eine heiße Zunge hinein. Der Traubengeschmack vom Wein wurde intensiver, strich über seine Geschmacksknospen. Louison wurde noch schwindliger bei dem Gedanken, dass Carlton dasselbe schmeckte wie er.
Die beiden umarmten sich fester und vertieften den zärtlichen Kuss. Sie fielen durch die Wärme und Berührung ihrer Körper in einen Rauschzustand. Bevor er wusste, was geschah, lag Louison auf dem Sofa, und Carlton war, wie selbstverständlich, über ihm.
Carltons Knie drängte sich zwischen Louisons Beine. Als der Schatten des Söldners über den jungen Herzog fiel, schluckte Louison trocken. Er war halb nervös, aber insgeheim auch erregt.
Carlton berührte jedoch Louisons Stirn mit seiner Hand.
„Warum?“, fragte Louison.
„Mein Herzog, du hast Fieber.“ Mit ernster Miene schob der Söldner seine Hand in Louisons Gewänder. Die Finger waren dieselben, aber die Hitze war aus der Berührung verschwunden. „Es ist ziemlich hoch. Kannst du das Fieber nicht spüren?“
„Ähh …“ Als Louison darüber nachdachte, dachte er, seine Muskeln hätten schon seit heute Morgen geschmerzt. Sein Kopf fühlte sich ein wenig benommen an und seine Augen waren trocken. Er hatte gedacht, das alles läge an den Kämpfen der letzten Nacht, aber es stellte sich heraus, dass es Gliederschmerzen aufgrund eines Fiebers waren.
„Du hast dich zu sehr verausgabt. Es ist verständlich, dass du krank geworden bist.“ Aus Carltons Sicht war es ziemlich unglaublich, dass der junge Herzog bis hierher durchgehalten hatte… besonders in Anbetracht seiner körperlichen Verfassung.
Der junge Herzog musste dank seiner mentalen Stärke durchgehalten haben und war aufgrund der Ereignisse der letzten Nacht einfach über seine Grenzen hinausgegangen.
„Du musst jetzt wirklich ruhen.“ Carlton richtete sich langsam auf und strich dabei immer noch mit Louisons Wange. Dann hob er den jungen Herzog in seine Arme, trug ihn zum Bett und legte ihn dort nieder. Der Söldner deckte den jungen Herzog mit der Decke zu – bis zum Hals. Er zog sogar sorgfältig die Bettvorhänge zu, damit der junge Herzog gut schlafen konnte.
„Schlaf.“
„Nein, so kann ich nicht schlafen“, sagte Louison. Wie soll ich nach so einem Kuss schlafen?
Louison versuchte sich aufzurichten, aber Carlton würde niemals Kompromisse bei Louisons Gesundheit eingehen.
„Wenn du jetzt weitermachst, wirst du vielleicht wirklich ohnmächtig.“ Carlton drückte Louison zurück, steckte die Arme des jungen Herzogs unter die Decke und legte sich an seine Seite. Als Louison versuchte, sich wieder zu erheben, legte er seine Hand auf Louisons Brust, um jegliche Bewegung zu verhindern.
„Ich sagte, ich kann nicht schlafen“, brummelte Louison und hielt mit aller Gewalt die Augen weit offen. Ich werde nicht schlafen – ich werde nie schlafen. Mal sehen, wer gewinnt.
Carlton lachte, als fände er den jungen Herzog amüsant. Er klopfte Louison in regelmäßigem Rhythmus auf die Brust und summte ein bekanntes Schlaflied. Es war ein wenig seltsam, da dies das erste Mal war, dass der Söldner summte, aber der junge Herzog hatte das Gefühl, dass das Lied aufgrund der angenehmen Stimme in seinen Ohren schmolz. Sein Körper war in warmes Bettzeug gehüllt und das Schlaflied beruhigte seinen müden Geist. Natürlich wichen die Anspannung und die Kraft aus seinem Körper.
Louison gab sich alle Mühe, aber seine Augenlider wurden immer schwerer. Als Carlton sah, wie der junge Herzog sich abmühte, summte er sanft weiter, um den jungen Herzog zu beruhigen: „Mach dir keine Sorgen und schlaf. Du kannst jederzeit weitermachen.“
„Wirst du hier bleiben?“
„Natürlich. Ich werde weiterhin an deiner Seite bleiben.“
„Dann… na gut…“
Sobald die Angst und Anspannung aus seinem Körper gewichen waren, schlief Louison ein. Die Müdigkeit und die durch das Fieber verursachten Gliederschmerzen ließen ihn nicht los.
Carlton lag still neben dem jungen Herzog und beobachtete Louisons schlafendes Gesicht.
Wird er sich überhaupt an das erinnern, was wir direkt vor dem Einschlafen besprochen haben?
Oberflächlich betrachtet klingt es, als hätte der Söldner lediglich versprochen, an seiner Seite zu sein, während er schläft, doch auch diese Antwort zeugte von Carltons eigener Entschlossenheit.
Louisons Beinahe-Tod in der vergangenen Nacht war für Carlton ein großer Schock gewesen. Er war so überrascht, dass er nicht wirklich wusste, was Ruger mit seiner Handlung bezwecken wollte. Obwohl der Adjutant vor Louison gezögert hatte, hatte der Söldner sein Schwert geschwungen. Carlton wollte da den Grund für Rugers Zögern nicht wirklich wissen, doch als er später mit Morrison sprach, dachte er zurück an diese Zögerlichkeit.
Offenbar waren Loyalität und Verrat beides wesentliche Elemente für die Geburt eines Todesritters. Als Carlton das hörte, wurde ihm klar, dass Ruger kurz davor war, Louison im letzten Moment zu verschonen und zu retten. Außerdem war der Mann von Liebe motiviert gewesen.
Es gibt Wahrheit in der Redewendung, dass Gleiches Gleiches erkennt. Rugers Verhalten und Einstellung ähnelten denen von Carlton. Er verliebte sich in jemanden, dessen Ansehen schwer zu ignorieren und zu überwinden war. Obwohl er Mühe hatte, diese Gefühle zu vergessen, war sein Herz voller anhaltender Gefühle und er konnte nicht anders, als Louison nachzujagen.
Es gab kein größeres Unglück als dieses Schicksal: ein verfluchter Ritter zu werden, nur wegen der Liebe.
Obwohl es Carlton nicht interessierte, ob Rugers Tod eine Tragödie war oder nicht, hatte der Söldner aus diesem Vorfall offensichtlich so viel von Äsops Fabel verstanden, wie er konnte. Wenn man weiterhin so zögerte und schwankte wie Ruger, waren weder Liebe noch Erfolg in Reichweite. Nur das schlimmste Ende bliebe: ein sinnloser Tod, ohne etwas erreicht zu haben.
Carlton verstand endlich. Selbst wenn er sterben würde, wollte er Louison nicht verlieren. Er wollte noch lange bei dem jungen Herzog bleiben. Und dafür würde er alles tun.
Wenn Carlton über sich nachdachte, war er in letzter Zeit ganz anders als sonst, sprach und dachte so schwach. Wenn Louison ihn nicht innig liebte, könnte er den jungen Herzog einfach umwerben, um seine Gefühle weiter zu vertiefen. Wenn es in seiner derzeitigen Position schwierig sein würde, an Louisons Seite zu stehen, konnte er mit allem, was er bisher erarbeitet hatte, eine ähnliche Position erreichen. Es gab sicherlich noch viele andere Hindernisse, aber er konnte sie alle überwinden.
Natürlich würde das nicht so einfach sein, wie es sich anhörte, aber er war mit Härten vertraut. Sein Leben war für ihn immer ein Kampf gewesen, das Unmögliche zu erreichen und zu besitzen. Selbst wenn er den dornigen Pfad mit seinem bloßen Körper durchbrechen musste – selbst wenn ein Kampf auf ihn wartete, der völlig anders war als alle anderen Kämpfe, die er zuvor ausgefochten hatte – war er bereit, das Risiko einzugehen … wenn die Belohnung Louison Anness war.
Tief im Schlaf kuschelte sich Louison in Carltons Arme. Der Söldner unterbrach seine Gedanken und passte seine Haltung an, um es den jungen Herzog bequemer zu machen.
Bedeutet das nicht, dass er mir vertraut und sich auf mich verlässt?
Der junge Herzog war beruhigt genug, um zu schlafen, jetzt, da Carlton hier war. Obwohl der junge Herzog im Fieber lag, wollte er mit intimen Handlungen fortfahren. In Anbetracht all dessen waren Louisons Gefühle für Carlton auch nicht so oberflächlich. Der Söldner war sich jedoch nicht sicher, ob der junge Herzog sich der Tiefe seiner eigenen Gefühle bewusst war.
Carlton strich vorsichtig mit seinen Fingerspitzen über Louisons Haar.
Was soll ich tun, damit er sich dessen mehr bewusst wird? Denkt er auch den ganzen Tag an mich?
Wie die älteren Söldner um ihn herum zu sagen pflegten, kann eine Beziehung etwas von Hin und Her erfordern.
Carlton kniff den jungen Herzog leicht in die Wange – Louisons ruhiges, schlafendes Gesicht war so nervig. Dann schmolz sein leichter Groll schnell dahin, weil die gerunzelte Stirn des jungen Herzogs so lieblich aussah.
Lass uns jetzt gut schlafen. Später werde ich dich nicht schlafen lassen, auch wenn du mich darum anbettelst.
Carlton umarmte Louison behutsam. Und im selben Moment schlief auch der Söldner friedlich ein.
***
Nach einer erholsamen Nacht und etwas Essen machte sich Louison zusammen mit seinen Gefährten und dem Gefolge des Großen Lords des Ostens auf den Weg in die Hauptstadt. Die Reisegesellschaft war deutlich kleiner geworden als zuvor. Der Große Lord des Ostens – wer weiß, was der Wind des Wandels mit ihm gemacht hatte – schickte die Adligen zurück, die das Tempo verlangsamten, und ließ einige Soldaten zurück, um das Anwesen des Viscount Boton aufzuräumen.
Morrison trennte sich ebenfalls im Herrenhaus des Viscounts von ihnen. Er sagte, er würde nicht sofort in die Hauptstadt weiterreisen, sondern stattdessen den Dämonenanbeter weiter verhören und dann eigene Ermittlungen anstellen. Louison bedauerte es, ihn gehen zu sehen, aber sie entschieden, den Informationsaustausch fortzusetzen, sobald sie wieder in Kontakt miteinander treten konnten.
Als sie das Anwesen der Boton verließen, konnte das Gefolge schnell und ohne größere Probleme weiterziehen.
Und nach einer Weile …
… kamen Louison und Carlton in der Hauptstadt an.
Endlich! Louison stieg bedächtig aus der Kutsche und betrat das Hauptstadtgelände.
Es war eine lange und beschwerliche Reise gewesen, und die Strapazen ließen ihn die Stadt noch freudiger sehen. Der junge Herzog und Carlton hielten sich an den Händen und teilten ihre gemeinsame Freude.
Wie schön, eine Krise haben sie überstanden und sind endlich wohlbehalten in der Hauptstadt angekommen. Danke für die schönen Kapitel
AntwortenLöschenDa haben sie ja einiges durchgemacht. Carlton ganz besonders, der sehr Eifersüchtig war und dessen Gedanken förmlich Amok liefen. Er konnte einem schon fast leid tun XD Gott sei Dank hat sich das aber auch geklärt. Nur was Ruger angeht, ich habe nicht damit gerechnet und was dann noch aus ihm geworden ist. Da zögert er in letzter Sekunde, wird von Carlton umgebracht, nur um dann so verflucht zu werden. Welch tragisches Schicksal. *sigh* Jetzt geht es in der Hauptstadt weiter und da wird es sicherlich nicht viel ruhiger verlaufen. Ich bin schon gespannt, was hier alles passieren wird und was Morrison noch rausbekommt.
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