Louison dachte über die Ereignisse der vergangenen Nacht nach.
Wenn ich darüber nachdenke, hat er sich von Anfang an seltsam verhalten.
Es war nicht Carltons Art, die Ritter, die ihn belästigt hatten, einfach wegzuschicken. Er war nicht gekommen, um Louison zu sehen, und es gelang ihm, trotz seiner großen Statur unauffällig zu bleiben. Er musste wirklich etwas verbergen, um sich zu schützen.
Dann muss er wohl der Hauptschuldige sein …
Louison sah den Großen Lord des Ostens an. Der ältere Adlige war gerade beim Essen und sah Louison an, als wollte er sagen: „Was ist los? Warum starrt Ihr mich so an?“
Das stimmt. Diese Person ist jemand, die Carlton dazu bringen könnte, sich merkwürdig zu verhalten.
„Was habt Ihr in meiner Abwesenheit zu meinen Begleitern gesagt?“
Der Große Lord des Ostens runzelte leicht die Stirn, als Louison ihn direkt fragte: „Offenbar habt Ihr diesen Bastard gestern Abend getroffen. Hat er Euch nicht alles erzählt?“
„Wenn er das getan hätte, würde ich Euch dann jetzt fragen?“
„Ich habe ihm einfach gesagt, er solle auf seine Manieren achten. Da ich euch als Teil meines Gefolges akzeptiert habe, glaube ich, dass ich das von ihm verlangen kann.“
Er hat unmöglich so etwas Höfliches gesagt! Während Louison ihn anstarrte, fügte der Große Lord des Ostens seiner Aussage hinzu, als ließe sich nichts ändern: „Ich habe außerdem ein seltsames Gerücht erwähnt, das über euch beide im Umlauf war.“
„Ah – Ihr meint unsere Romanze?“
„Ihr wusstet davon?“
„Ja, ich habe davon gehört.“
Morrison hatte dem jungen Herzog bereits von dem Gerücht erzählt. Louison hatte es als haltloses Gerede abgetan, das vielleicht auf der Straße die Runde machte, aber wenn der Große Lord im Osten des Königreichs davon wusste, wie weit hatte sich dieses Gerücht dann verbreitet?
„Und Ihr seid diesem Mann mitten in der Nacht nachgelaufen, obwohl Ihr wusstest, dass es dieses Gerücht gab?“
„Alle wichtigen Leute werden wissen, dass dieses Gerücht falsch ist.“ Louison war sprachlos. Es war offensichtlich, dass derjenige, die dieses Gerücht verbreitet hatte, Carlton nicht wirklich kannte. Wie konnte ein ehrgeiziger Mann wie der Söldner nur wegen der Liebe davonlaufen? Carlton lebte voller Energie und war stolz auf das, was er im Leben erreicht hatte. Er war nicht romantisch genug, nur der „Liebe“ wegen alles aufzugeben.
„Warum in aller Welt seid Ihr, und die Männer um Euch herum, ständig Gegenstand von Gerüchten?“, brummelte der Große Lord des Ostens.
„Was gab es sonst noch?“
„Es wurde auch über diesen Verräter getuschelt!“
„Was? Ruger und ich? Das ergibt doch keinen Sinn …“
„Genug von diesem Gerede!“, der Große Lord des Ostens wedelte mit der Hand, als wäre er angewidert von allem, was er hörte, „Das ist alles, weil Ihr unverheiratet seid.“
Ehrlich – wie kam es zu diesem Thema?, dachte Louison.
„Ihr solltet eine Dame aus einer angesehenen Familie heiraten und viele Kinder bekommen! Es ist eine Verpflichtung für Leute wie uns, viele Nachkommen zu hinterlassen. Ihr müsst Euren Familienzweig fortsetzen“, sagte er großspurig.
Während der Große Lord des Ostens begann, eine Rede zu schwingen, versuchte Louison wie üblich, nur mit einem Ohr zuzuhören.
Doch plötzlich nahm der andere Adlige einen ernsten und aufrichtigen Gesichtsausdruck an: „Wie wäre es mit meiner Enkelin?“
„Was?“, fragte Louison nervös. Meinte er etwa die Enkelin, die er gerade gescholten hatte? Die Enkelin, der er befohlen hatte, sich den ganzen Tag um Louison zu kümmern? Selbst jetzt war sie neben dem jungen Herzog damit beschäftigt, Tee zuzubereiten. Natürlich war es ihr peinlich, von Heiratsangelegenheiten zu hören, aber sie goss den Tee ruhig in eine Teetasse.
Es schien, als ob der Große Lord des Ostens Heiratsangelegenheiten schon einmal angesprochen hatte – zumindest im gewissen Maße.
„Ans Heiraten habe ich noch nicht gedacht…“
Vor der Rückkehr war Louison zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Selbst nachdem er dieser Zeitlinie beigetreten war, war er damit beschäftigt gewesen, die Probleme zu lösen, die vor ihm aufgetaucht waren.
„Denkt ernsthaft darüber nach. Ihr steht Euch in Alter und Familienstand nahe – eine bessere Heiratsverbindung als diese wird es nicht geben. Euer Haushalt braucht mehr Leute und Ihr seid der einzige direkte Nachkomme. Ihr müsst Euch beeilen.“
„Es gibt zu viele Dinge, um die ich mich zuerst kümmern muss.“
„Ich meine nicht, dass Ihr sofort heiraten müsst. Angesichts der aktuellen Situation müssen wir uns auf ein Staatsbegräbnis vorbereiten, bevor der Winter vorüber ist.“
Louison nickte – auch er wusste genau, dass der Zustand des Königs ernst war.
Der Große Lord des Ostens fuhr fort: „Nach der Krönungszeremonie des neuen Königs werdet Ihr wohl vor dem Frühling in Euer Herzogtum zurückkehren wollen, oder? Lasst uns bis dahin darüber sprechen und die Angelegenheit klären.“
Obwohl an den Worten des Großen Lord des Ostens nichts grundsätzlich falsch war, hatte Louison das Gefühl, dem Gesprächsfluss nicht folgen zu können.
Louison war ein Mensch, der im Hier und Jetzt lebte. Die Zukunft war für ihn leer, da er aus Gewohnheit nie tief darüber nachdachte. Im Moment entwarf er lediglich einen groben Zeitplan, wie er die Dämonenanbeter besiegen, in seine Heimat zurückkehren und ein gutes Leben führen würde.
Mit anderen Worten: Sein Kopf war leer.
„Natürlich. Denkt einfach darüber nach.“
Louison schloss den Mund, ohne zu antworten. Heiraten, hm? Wenn er seine verspielten, schlechten Wege aufgeben wollte, musste er über die Ehe nachdenken, aber er konnte einfach nicht aufhören, es hinauszuzögern. Er brachte nicht die Worte heraus: „Ich werde darüber nachdenken“, da plötzlich Carltons Gesicht in seinen Gedanken auftauchte.
Mm, warum denke ich plötzlich an Carlton?
Wie dem auch sei, vielleicht hatte der Schuldige hinter Carltons ungewöhnlich untröstlichem Auftreten nichts mit der Schelte des Großen Lords des Ostens zu tun. Wenn das so war, dann erkannte Louison, dass er oder etwas, das er gestern gesagt hatte, der Schuldige sein musste.
Der Große Lord des Ostens nörgelte eine lange Zeit weiter – Louison war in der Hölle des Nörgelns gefangen, bei der jede seiner Beschwerden noch mehr Nörgelei vom älteren Mann nach sich zog. Sogar die anwesenden Dienstmädchen warfen Louison mitleidige Blicke zu. Louison bemerkte es jedoch nicht, denn er war in Gedanken versunken.
Was genau hatte Carltons Gefühle verletzt?
Carlton hatte im Gegensatz zu seinem äußeren Erscheinungsbild eine sensible Seite. Er bemerkte kleine Handlungen, die andere leicht übersehen würden. Er war auch gut darin, die Mienen anderer zu lesen und sich ihnen anzupassen. Als jemand, der sein ganzes Leben lang auf einem schmalen Grad balanciert hatte, musste er doppelt so sensibel sein wie andere.
Louison hingegen war das Gegenteil. Der junge Herzog hatte sich sehr verändert, während er die Bitterkeit des Lebens erfahren hatte, aber in zwischenmenschlichen Angelegenheiten war er immer noch unbedarft. Seine Angewohnheit, sich nicht um die Gefühle anderer zu kümmern, hatte er noch nicht abgelegt.
So sehr sich der junge Herzog auch den Kopf zerbrach und versuchte, die unverständlichen Zeichen in Carltons Körpersprache zu deuten, es war immer noch schwierig, den Söldner zu verstehen, der in ein Leben voller Bitterkeit geboren worden war.
Wer soll das schon verstehen!!, klagte er innerlich.
Doch Louison hatte von dem Heiligen gelernt, was er in diesem Moment tun sollte. Wenn er keine Antwort weiß, kann er jemanden fragen, den er gut kennt, statt vorschnell zu raten.
Gut. Nach dem Frühstück werde ich nach Carlton suchen.
Da es um Carltons Herz ging, sollte Carlton doch am besten wissen, was los war, oder? Der junge Herzog hatte sich entschieden, doch der Tag lief nicht so, wie Louison es geplant hatte. Gegen Ende des Frühstücks trat ein Diener in das Zelt. Er teilte den anwesenden Adligen mit, dass ein Adliger aus einem benachbarten Gebiet um ein Treffen mit dem Großen Lord des Ostens gebeten hatte. Der betreffende Adlige war nur ein armer Viscount, aber das Treffen wurde genehmigt, da der Adlige ein Vetter eines Aristokraten war, der in gutem Einvernehmen mit dem Großen Lords des Ostens stand.
Also musste Louison den Großen Lord des Ostens auch zu diesem unerwarteten Treffen begleiten.
Der Adlige war ein extravaganter Mann, der sich mit Schmuck bedeckt hatte. „Guten Morgen, Eure Gnaden. Mein Name ist Roks Boton. Ich wurde kürzlich zum Viscount erhoben und herrsche nun über das Boton-Anwesen.“
„Ah, Ihr seid der neue Viscount Boton? Ich habe gehört, dass es kürzlich eine große Katastrophe auf Eurem Anwesen gab“, sagte der Große Lord des Ostens.
„Ja, dank Ihrer Gnade konnte ich es sicher überstehen.“
Als jemand, der es verabscheute, sich im Osten Feinde zu machen, verhielt sich der Große Lord recht großzügig, und Viscount Boton schmeichelte ihm mit geschmeidiger Zunge, als ob sie mit Öl überzogen wäre.
Von der Seite betrachtete Louison den Viscount ruhig. Obwohl sie sich zum ersten Mal begegneten, kam ihm der Mann irgendwie bekannt vor.
Viscount Boton … Boton … Wo habe ich diesen Namen gehört … Ah!
Die drei Ritter, die Carlton in den Fluss geworfen hatte! Er hatte definitiv gehört, dass die drei Ritter, die von den Dämonenanbetern getötet und als Ghule benutzt worden waren, die Ritter des Boton-Anwesens waren.
Gerüchte besagten, dass er sein Anwesen verlassen und weggelaufen sei … Aber ihm geht es gut?
Er hatte eine fahle Gesichtsfarbe und trug unglaublich dicke Schminke, um sie zu verdecken. Aber die Gliedmaßen des Mannes waren intakt und seine Haut war prall und elastisch. Wenn Carlton den Viscount Boton gesehen hätte, hätte er höhnisch gelacht und gespottet, dass die Verwüstung seines Anwesens keinem besseren Menschen hätte passieren können.
„Um ehrlich zu sein, bin ich trotz meines schäbigen Aussehens gekommen, weil ich eine dringende Frage zu stellen habe. Es tut mir leid, Euch zu stören, aber da Ihr zufällig an meinem Anwesen vorbeikommt, wollte ich diese Gelegenheit nicht verpassen.“
Ah, nun kommt also der eigentliche Grund des Viscounts … Er will jetzt sein Anwesen und seine Vasallen aufgeben und sich dem Großen Lord des Ostens anvertrauen, nicht wahr?, dachte Louison spöttisch.
Doch unerwarteterweise widersprachen die Worte des Viscounts seinen zynischen Gedanken. „Mein Anwesen ist weniger als einen halben Tag entfernt. Da Ihr auf einer anstrengenden Reise für das Wohl unseres Landes seid, möchte ich Euch für eine Nacht meine Unterkunft anbieten.“
Hä? Du willst uns zu dir nach Hause einladen? Bist du nicht von deinem Anwesen weggelaufen?
Louison, der eigentlich nichts sagen wollte, musste fragen: „Ich habe etwas über Eure Situation gehört … Könnt Ihr im Moment wirklich Gäste empfangen?“
„Ich war nur kurzzeitig von meinem Anwesen weg, aber jetzt ist alles in Ordnung. Natürlich ist das, was ich habe, vielleicht nicht genug, um Euch gerecht zu werden, aber ich werde mein Bestes tun, um Euch zu beherbergen.“ Der Viscount zeigte sich vollkommen unaufgeregt und selbstbewusst.
Der Große Lord des Ostens schien von dieser selbstsicheren Antwort erfreut und lachte. „Euer Herz und Eure Aufrichtigkeit sind lobenswert. Gut, ich werde eine Nacht in Eurem Anwesen bleiben.“ Er stimmte der Einladung des Viscounts sofort zu.
Louison flüsterte leise, sodass nur der Große Lord des Ostens es hören konnte: „Ist das wirklich in Ordnung? Wir müssen doch so schnell wie möglich zum königlichen Palast.“
„Es wird schon gut gehen. Der Körper dieses alten Mannes kann bei so einem schnellen Tempo nicht mithalten – wie könnte mir das jemand vorwerfen? Wenn wir uns zu sehr beeilen, kümmern wir uns noch zuerst um meine Beerdigung, und nicht um die Seiner Majestät.“
Louison stöhnte – er wusste, dass das passieren würde. Obwohl ihre Reise bisher ziemlich luxuriös gewesen war, war der Große Lord des Ostens sehr unzufrieden, dass sie ihr Lager aufschlagen und mitten auf einem Feld in Zelten schlafen mussten. Allerdings muss man ehrlich sagen, dass Reisen für ältere Menschen ziemlich anstrengend ist.
Jedenfalls fand der Große Lord des Ostens, auch wenn das Anwesen des Viscounts möglicherweise schlicht war, keinen Grund, die Einladung im Herrenhaus des Adligen zu übernachten, abzulehnen. Außerdem fand er den Viscount Boton, der sie besuchte, um sie zu bewirten, bewundernswert.
Aus der Sicht des Viscounts war es wohl ganz natürlich, diese Gelegenheit zu nutzen, um eine Beziehung mit den beiden Herzögen gleichzeitig zu fördern.
Obwohl dies in vielerlei Hinsicht eine vorteilhafte Situation war, fühlte sich Louison dennoch unwohl. Lag es daran, dass er ständig an die Ritter auf der Brücke denken musste? Lag sein Unbehagen daran, dass sie gestorben waren, während sie von den Dämonenanbetern benutzt worden waren?
Da die Existenz der Dämonenanbeter jedoch geheim gehalten wurde, blieb Louison nichts anderes übrig, als den Mund zu halten. Es war unmöglich, den Großen Lord des Ostens nur mit dem Hinweis, dass der junge Lord sich unwohl fühlte, zu beeinflussen.
Armer Carlton, scheitert an der emotionalen Unbefangenheit von Louison. - Mal sehen, was dieser merkwürdige Viscount im Schilde führt...
AntwortenLöschenMan will Louison durchschütteln, damit er mal kapiert, was mit Carlton los ist *sigh* Aber dieser Viscount... bei dem stimmt gewaltig was nicht. Und man hat absolut kein gutes Gefühl dabei.
AntwortenLöschenluis kapiert nicht und carl ist an jemand gerateten der bei gewisse beziehungen auf einer langen leiter steht. aber ich hab bei den anderen beiden ein schlechtes gefühl als würde noch was passieren.
AntwortenLöschen