„Also ist Ritter Carlton das Problem?“, fragte der Schatzmeister.
„Ja.“
Da das Herzogtum besetzt war, waren sämtliche Verwaltungsfunktionen lahmgelegt. Darüber hinaus hatte Carlton die Außenbezirke des Schlosses abgeriegelt, sodass die Bewohner keinen Kontakt zur Außenwelt hatten. Gruppenversammlungen waren streng verboten worden. Egal, ob es eine Krise gab, Heuschreckenplage oder etwas anderes, Louison war sich nicht sicher, ob Carlton den Leuten erlauben würde, sich auf Louisons Befehl zu versammeln.
„Angesichts der Situation weiß ich nicht, ob er zuhören wird.“
Carlton war sehr, sehr vorsichtig. Die Lords, die einst dem zweiten Prinzen gefolgt waren, waren definitiv Feinde, und die Lords, die Prinz Ellion folgten, waren Verbündete, die ihn bald in den Rücken fallen könnten. Louison, der sich freiwillig ergeben hatte, mochte glaubwürdig erscheinen, war jedoch nicht bedingungslos vertrauenswürdig. Carlton überließ Louison vielleicht sich selbst, aber er ließ nie in seiner Wachsamkeit ihm gegenüber nach.
„Was wäre, wenn ich die Dinge einfach geschehen ließe? Auf jedem Landgut brennt die 'Flamme des Heiligen Geistes'. Könnten sie die Krise nicht allein verhindern?“, fragte Louison.
„Das wird schwierig. Viele der jungen, arbeitsfähigen Männer wurden zur Armee eingezogen. Sie sind schon jetzt so unterbesetzt … die Ernte wird länger dauern als üblich und der Schaden wird größer sein als normal.“
„Ähm … ich verstehe.“ Louison hatte keine andere Wahl, als Carlton um Erlaubnis für die Versammlung zu bitten, obwohl er nicht sicher war, ob sich ein Mann, der in einem Wutanfall die goldenen Felder niedergebrannt hatte, um so etwas wie eine Heuschreckenplage scheren würde.
„Haben Sie einen Plan?"
„…Es ist ja nicht so, dass ich keinen hätte. Machen Sie sich nicht zu viele Sorgen. Ich werde mir etwas einfallen lassen und zurückkommen“, sagte Louison.
Louison wirkte irgendwie zuverlässig – der Schatzmeister war innerlich überrascht.
Der Lord sagt, er wird etwas auf eigene Faust in Ordnung bringen? Wirklich, … ich hätte nie gedacht, dass dieser Tag jemals kommen würde.
Louison hatte noch nie etwas alleine unternommen gehabt. Er war der Meinung gewesen, dass die natürliche Ordnung dafür sorgen würde, dass die anderen um ihn herum sich um alles kümmern würden. Wenn ein Käfer in sein Wasserglas geflogen war, hatte der alte Louison nichts gesagt, hatte das Wasser nicht weggeschüttet und hatte auch nicht geweint. Er war einfach still geblieben, bis jemand das Problem bemerkt und es für ihn gelöst hatte.
Untätigkeit war zur Gewohnheit geworden – es hatte so viele Bedienstete im Haushalt gegeben. Ständig waren Augen auf ihn gerichtet gewesen, die seine Wünsche erfüllt hatten. Zu spät hatte er erkannt, dass dieses Verhaltensmuster nicht gesund gewesen war, und hatte versucht, die Bediensteten davon abzubringen, aber es war schwierig gewesen, solch tief verwurzeltes Verhalten zu ändern. Das unangenehme Verhalten der Bediensteten war einer der Gründe gewesen, warum Louison in die Hauptstadt geflohen war.
Wenn ich darüber nachdenke, ist es ziemlich ungewöhnlich, dass der Lord persönlich die Kapitulation angeboten hat, dachte der Schatzmeister.
Einige Leute hatten gesagt, er habe aus Angst impulsiv gehandelt – die meisten Berater dachten so. Aber bei näherer Überlegung war Louison nicht der Typ Mensch, der vorausschauend handelte, selbst wenn er Angst hatte.
Man sagt, dass sich Menschen in Krisenzeiten ändern … vielleicht wird er reifer.
Nein, es ist zu früh, um etwas von ihm zu erwarten. Ich habe keine Ahnung, warum er sich plötzlich Sorgen wegen Heuschrecken macht, aber er könnte sich eine Ausrede ausgedacht haben, um Carltons Einfluss zu entgehen. Nur die Zeit wird es zeigen.
Plötzlich fiel dem Schatzmeister etwas ein.
„Wenn ich es mir recht überlege, wird das Gebiet, mit dem wir wegen der Heuschreckenwanderung immer in Kontakt standen, von Baron Laures verwaltet.“
„Was ist mit diesem Gebiet?“, fragte Louison.
„Der Herr dieser Region lud Carlton zum Essen ein und ließ ihn absichtlich einen halben Tag warten. Als Bestrafung ließ Carlton ihn vierteilen.“
„…Upps.“ Louison wurde blass. Er hatte Carltons Auftrag, die Suche nach dem Schlüssel, durch das Entdecken der 'Flammen des Heiligen Geistes' völlig vergessen.
„I-ich muss los!“ Louison huschte schnell davon und vergaß dabei völlig seine körperlichen Beschwerden.
Es ist zu früh, um etwas zu erwarten. Natürlich.
Der Schatzmeister hielt ihn für undiszipliniert.
Im Büro des Herzogs von Anness blickte Carlton auf, während er die Papiere durchsah. Seine Augen waren müde – es stellte sich heraus, dass viel Zeit vergangen war, seit er Louison auf die Suche geschickt hatte. Egal, wie stark sein Körper war, er fühlte sich unwohl, wenn er zu lange an einem Ort saß.
Carlton stand von seinem Platz auf. Er hatte kaum Zeit, den Ausblick aus dem Fenster zu genießen. Dieses Herzogtum Anness … ich habe mich hier schon viel länger aufgehalten, als ich vorhatte.
Als er in den Süden gekommen war, war es Carltons Ziel gewesen, nach einem erfolgreichen Kampf schnell in die Hauptstadt zurückzukehren. Daher hatte die Armee nicht genug Nahrung für einen längeren Aufenthalt dabei gehabt. Da der Süden voll von Nahrung war, hatten sie geplant, alles vor Ort zu beschaffen.
Sein ursprünglicher Plan war perfekt gewesen und trotz der Verzögerung war die Eroberung schnell und ohne große Verluste durchgeführt worden. Er hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass sein Erfolg ihm zur Falle werden würde. Er konnte nicht in den Krieg zurückkehren, wenn das Herzogtum ihm keine Nahrungsmittelentschädigung anbot, aber der Erhalt dieser Entschädigung hing von der Produktivität der Verwalter ab.
Normalerweise hätten seine Truppen das Problem durch das Köpfen der Berater oder das Aufbrechen der verschlossenen Lagerhäuser und das Mitnehmen von allem, was sie sehen konnten, gelöst.
Doch nun war Carltons Lebensunterhalt gefährdet. Wie Louison betont hatte, war es nun an der Zeit, dass Carlton wirklich über seine eigene Situation nachdachte. Daher konnte er die oben genannten Methoden nicht anwenden, und stattdessen blieb Carlton nichts anderes übrig, als seine Kriegsbeute und Vorräte persönlich im Namen der abwesenden Berater zu nehmen.
Deshalb überprüfte er die Verwaltungsdokumente des südlichen Herzogtums. Glücklicherweise hatte Carlton während der Jagd von einem Dorfpriester Lesen und Schreiben gelernt. Bei der Eskorte eines Krämers hatte er gelernt, Konten zu führen. Ein gewöhnlicher Söldner wäre entweder leer ausgegangen oder hätte sein Leben mit groben Methoden riskiert.
Wie auch immer, Louison Anness … er war das Problem.
Wie unfähig musste er gewesen sein, wenn seine Gefolgsleute in einem so entscheidenden Moment die Arbeit verweigerten?
Zumindest schien er zu erkennen, dass die Schuld bei ihm lag, und tat nun sein Möglichstes, um zu überleben, doch Louison war erschreckend wenig hilfreich. Innerhalb weniger Tage war Carlton sich der finanziellen Situation des Herzogtums bewusster als der Herzog selbst.
Eine totale Enttäuschung.
Carlton hatte einige Erwartungen an Louison gehabt, als er das Schloss betreten hatte. Louisons Einsicht war entschlossen und seine Haltung schien vielversprechend. Es war, als hätte er in die Zukunft geblickt. Er war auch überrascht gewesen, dass der Herzog gekommen war, um sich ihm persönlich zu ergeben und dass er ein sauberes und höfliches Auftreten hatte. Ein Adliger, der seine Soldaten nicht wie Hunde behandelte, war selten.
Alle Adligen, die Carlton kennengelernt hatte, unterschätzten ihn. Sie hatten Angst vor seiner Gewalt und Grausamkeit, verspotteten ihn aber innerlich. Egal, wie gut sie es verbargen, sobald Carlton ein wenig Gnade zeigte, kam ihre herablassende Haltung zum Vorschein.
Das Siegesbankett war Carltons Art gewesen, Louison auf die Probe zu stellen, und seine Erwartungen waren schnell zunichte gemacht worden. Die Unterschätzung, die er in Louisons Augen gesehen hatte, war ihm nicht entgangen.
Alles andere kann ich ertragen, aber es ist mir zuwider, wenn man mich nicht beachtet.
Carlton hatte Louison damals sofort am Kragen gepackt. Vielleicht hätte er etwas geduldiger sein können, aber derzeit bereute Carlton nichts.
Warum hat er sich mir gegenüber so herablassend gezeigt?
Außerdem hatte er ihn da grob auf den Tisch geworfen. In Anbetracht der Bestrafung, die anderen Adligen in der Vergangenheit auferlegt worden waren, hatte Carlton gedacht, dass dies eine sehr gemäßigte Reaktion wäre.
Trotz seiner Enttäuschung hatte Carlton auf seine Weise versucht, nett zu Louison zu sein. Seitdem hatte er ihn nicht mehr angerührt und respektvoll mit ihm gesprochen.
Er machte ihm nicht einmal Vorwürfe für die Verzögerungen bei der Abreise seiner Soldaten. Carlton war jedoch immer noch verärgert und machte seinem Ärger Luft, indem er ihn hart arbeiten ließ.
Das ist doch keine große Sache?
Früher wäre schon längst Blut geflossen. Aber das wusste Louison nicht, oder? Er reagierte immer so düster und kurz auf seine Witze. Carlton schmeichelte ihm? Nichts. Stritt er mit ihm? Nichts. Machte er sich sogar über ihn lustig? Immer noch die gleichen schwachen Reaktionen. Carltons Minderwertigkeitsgefühle wurden geweckt.
Reagiert er nur nicht, weil ich seiner Meinung nach weniger wert bin als der Dreck unter seinen Füßen?
Louisons Verhalten war jedoch nicht auf sein Missfallen zurückzuführen, mit jemandem von niedriger Geburt zu tun zu haben. Louison war von Carlton völlig entmutigt und konnte weder einen Laut von sich geben noch richtig antworten. Er war nervös, aber niemand sonst wusste, wie er sich innerlich fühlte.
Weder Carlton noch seine Diener.
Schuld daran war Louisons Aussehen. Mit seiner weißen Haut und den zarten Gesichtszügen, wie eine Keramikpuppe, strahlte Louison eine distanzierte und geheimnisvolle Aura aus – wie ein Künstler, der in tiefere Träumereien versunken ist. Darüber hinaus hatten seine Kindheitserziehungen ihm eine ausdruckslose und elegante Haltung eingeprägt. Selbst wenn er ausdruckslos auf einem Stuhl sitzen würde, würde er immer noch wie ein hochmütiger Aristokrat wirken.
Insbesondere wenn Louison seinen Kopf leicht senkte, bildeten seine goldenen Wimpern einen Kontrast zu seinen blauen Augen und erweckten das Bild eines Engels. Carlton hatte das Gefühl, dass er, egal was er tat, im Vergleich zu dieser falschen Unschuld wie ein Teufel wirken würde. Sein Zorn stieg fieberhaft an.
Er findet nicht einmal einen Schlüssel und lässt mich warten?
Er hatte noch nie darauf warten müssen, dass jemand seine Befehle ausführte. Die Aufgabe war weder wichtig noch dringend, sondern nur etwas, um den jungen Herzog aus dem Weg zu schaffen, aber als die Zeit verging und Louison nicht auftauchte, wurde er wütend.
Soll ich es einfach dem Schicksal überlassen oder mein Schwert nach ihm schwingen?
Carlton holte seinen Dolch heraus und fing an, in seinen Händen damit herumzuspielen. Unterdessen war ein hastiges Trappeln von Füßen zu hören. Sie stoppten kurz, bevor die Tür aufging.
Mit gelassenen Schritten betrat Louison den Raum. Jeder Schritt schien federleicht.
Bei jedem anderen Mann hätte das vielleicht seltsam ausgesehen, aber diese luftigen Schritte passten irgendwie zu Louisons Gesicht – blasse Haut, die ihr ganzes Leben lang der Sonne aus dem Weg gegangen zu sein schien, und Weichheit, die darauf hindeutete, dass er keinen Tag harter körperlicher Arbeit nachgegangen war. Sein Gesicht schien kein Leid zu kennen.
Ganz im Gegenteil zu Carlton.
Allein Louisons Anwesenheit – sein ganzer Körper, der vornehme Abstammung ausstrahlte – nagte an Carltons Innersten.
luis will in überreden das er ihnen hilft wegen den heuschrecken. carlton hat ja zur zeit andere probleme wie es scheint. er glaubt das luis in von obern herab sieht auf in obwoll der angst hat vor im. die denken ja komplett vorbei. mal sehen wie er darauf reagieren wird.
AntwortenLöschenCarlton denkt also intensiv über Louisons Verhalten und Aussehen nach, ob das schon ein leises Anzeichen von einem tiefergreifendem Interesse ist?
AntwortenLöschenCarlton hat also hier und da Witze gerissen? Wo? Ich habe sie nicht erkannt, hat er einen so stark versteckten und schwarzen Humor, dass ihn kaum jemand sehen kann.
Ich glaub Carlton hat ganz große Komplexe und Angst. Naja schauen Ma Mal wo das hinführt.
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